E-Fuels: Auf den Mix wird es ankommen
Welche Rolle E-Fuels für die Mobilität der Zukunft spielen können
Interview von Evelyn Stahl, Bereichskommunikation Gesellschaft, Innovation, TechnologieEvelyn Stahl: Die aktuelle Debatte lief unter dem Stichwort Technologieoffenheit. Wer die Klimaziele erreichen will, so die Argumentation, dürfe keine gedanklichen Verbote haben. Was kann der Einsatz synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels, auf diesem Weg beitragen?
Peter Wüstnienhaus: Im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen wie Diesel oder Benzin verbrennen synthetische Kraftstoffe sehr viel sauberer und praktisch rußfrei. Wahr ist aber auch, dass die Schadstoffemissionen weit entfernt von Nullwerten sind. Grundbaustein dieser fossilen und synthetischen Kraftstoffe sind Kohlenwasserstoffe, und aus diesen entsteht beim Verbrennungsprozess immer CO2 – egal, ob es sich um fossile oder synthetische Kraftstoffe handelt.
Frank Otten: Mit einem Unterschied: Der für die Herstellung von E-Fuels notwendige Kohlenstoff kann mithilfe des Carbon Capture and Utilization (CCU) Verfahrens der Umgebungsluft – oder den konzentrierten Emissionen industrieller Anlagen als Abfallprodukt – direkt entnommen werden. Man verwendet nur schon vorhandens CO2. Bei der Verbrennung wird also kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre abgegeben, und das schadet dem Klima weniger.
Peter Wüstnienhaus: Wenn wir allerdings auf andere Verbrennungsprodukte schauen, die ebenfalls Treibhausgaspotenzial besitzen, wie beispielsweise Kohlenstoffmonoxid und Stickstoffoxide, dann ist hier nur ein marginaler Unterschied zwischen fossilen und synthetischen Kraftstoffen feststellbar: Der gesundheitsschädliche Kohlenstoffmonoxid-Ausstoß von E-Fuel-Verbrennern ist sogar größer als der von konventionellen Verbrennern. Ebenso der Ausstoß an Ammoniak. Ammoniak kann sich mit anderen Partikeln in der Luft zu Feinstaub verbinden.
Frank Otten: Fakt ist: E-Fuels sind definitiv sauberer als fossile Brennstoffe, da sie ohne Verunreinigungen wie Schwefel oder sogenannte Aromaten – ringförmige Kohlenwasserstoffverbindungen – hergestellt werden können. In der Luftfahrt beispielsweise sind E-Fuels eine sehr gute Wahl: E-Kerosin hinterlässt wegen der geringeren Rußpartikelbildung auch weniger Kondensstreifen am Himmel, die ebenfalls zum Treibhauseffekt beitragen.
Fossile Brennstoffe durch die Hintertür verhindern
Evelyn Stahl: Nach den vielen Diskussionen um das sogenannte „Verbrenner-Aus“ und die Rolle von E-Fuels haben sich die Beteiligten darauf geeinigt, dass es eine neue Fahrzeug-Kategorie geben soll: Fahrzeuge, die nur mit E-Fuels angetrieben werden. Diese dürfen auch nach 2035 betrieben werden. Ist das eine gute Lösung?
Frank Otten: Wenn die E-Fuels klimaneutral mit grünem Strom hergestellt werden und die Fahrzeuge tatsächlich nur E-Fuels tanken, dann kann man, abgesehen vom schlechten Wirkungsgrad, nicht viel dagegen sagen. Aber auch wenn E-Fuels `drauf steht, passt fossiler Brennstoff `rein – eben diese Ähnlichkeit im Aufbau beider Energieträger ermöglicht, Bestandsfahrzeuge statt mit fossilen Brennstoffen auch mit E-Fuels zu betreiben. Hier muss man genauer hinsehen, damit der fossile Brennstoff nicht durch die Hintertür wieder Einlass in den Motor findet und über Kompensation beispielsweise durch Aufforstung als klimaneutraler Kraftstoff deklariert wird.
Peter Wüstnienhaus: Denkbar wäre zum Beispiel ein Sensor, der beim Tanken bestimmte Inhaltsstoffe erkennt, die ausschließlich in fossilen Brennstoffen vorkommen. Aromaten würden sich hier anbieten. E-Fuels enthalten diese Stoffklasse nicht.
Expertenmeinung:
Wie heute wird es auch in Zukunft nicht nur eine Kraftstoffart geben. Je nach Anwendungsfall werden E-Fuels, Wasserstoff, Batterien oder sogar Kraftstoffe verwendet werden, über die wir im Moment noch gar nicht nachdenken. So wichtig wie die Diskussion über den Kraftstoff auch ist, die Mobilität an sich ist in einem noch größeren Umbruch. Und hier müssen wir Lösungen entwickeln, die für die gesamte Gesellschaft tragbar sind.
Evelyn Stahl: Warum produzieren wir E-Fuels nicht hier in Deutschland oder Europa?
Peter Wüstnienhaus: In unseren Breitengraden gibt es zu wenig Wind und Sonne und zu große Schwankungen in dieser regenerativen Energieerzeugung. Stattdessen bieten sich die sonnen- und windreichen Regionen der Welt an. In den großen Wüstenregionen der Welt, beispielsweise in Ägypten und Namibia, können perspektivisch große Mengen an E-Fuels günstig hergestellt und exportiert werden.
Frank Otten: In Deutschland haben wir keine optimalen Bedingungen für die Herstellung großer Mengen an E-Fuels. Da sind andere Standorte deutlich besser geeignet. Der für Herstellung und Transport benötigte Energieaufwand muss deswegen in der Debatte um die CO2-Bilanz berücksichtig werden. Bei E-Fuels handelt es sich um flüssige Energieträger, die relativ einfach zu transportieren sind. Wir können dazu die existierende Infrastruktur nutzen: Tankschiffe sind eine Möglichkeit; Pipelines fehlen allerdings bislang.
Vorhandene Infrastrukturen weiter nutzen
Evelyn Stahl: Wie kommen die E-Fuels an die Endverbraucher, können wir an bestehende Infrastrukturen anknüpfen?
Peter Wüstnienhaus: E-Fuels sind generell mit der bestehenden Infrastruktur kompatibel, das heißt, sie können in sogenannten Bestandsfahrzeugen, die mit Benzin oder Diesel angetrieben werden, verwendet werden, ohne dass größere Nachrüstungen oder Änderungen erforderlich sind. Außerdem können sie über das bestehende Tankstellennetz verteilt werden. Diese Kompatibilität mit den aktuell existierenden Strukturen ist ein Vorteil gegenüber elektrisch angetriebenen PKW, für die eine neue Ladeinfrastruktur entwickelt und aufgebaut werden muss. Hierfür müssen wir auch den Ausbau der Stromnetze beschleunigen, um geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.
Frank Otten: Aktuell sind noch sehr viele Verbrenner auf unseren Straßen unterwegs; dafür müssen wir Lösungen finden. Allerdings sind E-Fuels in der Herstellung aufwändig und teuer; derzeit sind sie für den Individualgebrauch mit rund zehn Euro pro Liter noch unerschwinglich. Optimistische Expertinnen und Experten rechnen mit endgültigen Literpreisen von knapp drei Euro – wenn wir irgendwann E-Fuels in Massen produzieren.
Elektrifizierung im Individualverkehr, alternative Lösungen für Schiff- und Luftfahrt
Evelyn Stahl: Mit E-Fuels nutzen wir Strom aus erneuerbaren Quellen weniger effizient. Woran liegt das?
Peter Wüstnienhaus: Zur Herstellung des notwendigen Wasserstoffs wird Strom benötigt. Mit Strom kann ich Fahrzeuge auch direkt antreiben. In der Tat ist es sehr viel effizienter, ein batterieelektrisch angetriebenes Auto zu fahren: Von der Herstellung bis zum Rad auf der Straße liegt der Gesamtwirkungsgrad bei der Verwendung von E-Fuels bei etwa 15 Prozent. Beim elektrischen Antrieb liegen wir hier bei 65 bis 70 Prozent.
Frank Otten: E-Fuels haben einen sehr schlechten Gesamtwirkungsgrad. Mit der gleichen Menge an Energie kann ich über 1.000 Fahrzeuge direkt elektrisch betreiben oder damit E-Fuels herstellen, mit denen ich rund 200 Fahrzeuge in Bewegung setzen kann. Das ist schon ein enormer Unterschied. Hinzu kommen bei Verwendung von E-Fuels die lokalen Fahrzeugemissionen von Stickoxiden, Kohlenmonoxid und Ammoniak – denn die sind, wie schon erwähnt, durchaus relevant. Hinzu kommt der Lärm, den die Fahrzeuge durch die Verbrennung des Kraftstoffs verursachen.
Peter Wüstnienhaus: Das gilt in erster Linie für den Individualverkehr – batterieelektrische Antriebe funktionieren in der straßengebunden Mobilität sehr gut. Im Flugverkehr sieht die Sache anders aus: Mit Strom fliegen wir keine weiten Strecken, hier zählt jedes Gramm und Batterien sind schwer! Außerdem braucht es eine hohe Energiedichte, um Flüge realisieren zu können. Für diesen Anwendungsfall sind synthetische Kraftstoffe eine echte Alternative.
Frank Otten: Im Bereich der synthetischen Kraftstoffe liegt noch viel Potenzial, und es besteht ebenso viel Forschungsbedarf – in jedwede Richtung. So testen unsere Kolleginnen und Kollegen vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen derzeit gemeinsam mit dem Flugzeugbauer Airbus und weiteren Partnern im Rahmen des Projekts „VOLCAN“ (VOL avec Carburants Alternatifs Nouveaux) den Einsatz verschiedener Ökosprit-Varianten im Flugverkehr. Darunter sind auch sogenannte HEFA-Treibstoffe, die aus gebrauchtem Speiseöl gewonnen werden. Diese Treibstoffe hinterlassen einen relativ geringen CO2-Fußabdruck und sind frei von Schwefel und klimaschädlichen zyklischen Kohlenwasserstoffen.
Ohne synthetische Kraftstoffe wird es nicht gehen
Evelyn Stahl: Auf welches Szenario werden wir uns also in den kommenden Jahren einstellen müssen?
Peter Wüstnienhaus: Wenn wir uns den Kraftstoffbedarf durch PKW in Deutschland im Jahr 2019 anschauen, dann sehen wir 26,6 Milliarden Liter Benzin und 20,4 Milliarden Liter Diesel. Hinzu kommen nochmals 20 Milliarden Liter Diesel für den Straßen-Güterverkehr. Die deutschen Luftfahrtgesellschaften hatten 2019 einen Kerosinbedarf von knapp 12 Milliarden Litern. Diese Mengen an Brennstoffen werden wir ganz sicher nicht komplett durch E-Fuels ersetzen können: Um den Markt ausreichend versorgen zu können, wären gigantische Mengen synthetischer Kraftstoffe notwendig. Diese können in absehbarer Zukunft aber nicht ausreichend hergestellt werden, insbesondere nicht in Deutschland. Entscheidend für den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen sind der Anwendungsfall und mögliche Alternativen.
Frank Otten: Auf der anderen Seite wird die Ladeinfrastruktur für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge so schnell nicht flächendeckend umsetzbar sein. Daher wird auch zukünftig – über das Jahr 2035 hinaus – in vielen Teilen der Welt die Notwendigkeit für Benzin und Diesel bestehen bleiben. Wenn wir auf die Bestandsflotte an Verbrennern schauen, die noch Jahrzehnte auf den Straßen sichtbar sein wird, brauchen wir eine Alternative zu fossilen Brennstoffen: E-Fuels und biologische Kraftstoffe sind für diese Fahrzeuge aus Umweltaspekten fast alternativlos.
Expertenmeinung:
Ich würde mich in der Diskussion gerne darauf konzentrieren wie wir den Verkehr auf der Straße allgemein reduzieren. Da stehen wir vor großen Herausforderungen. Ich bin aber Realist und sehe noch nicht, wie wir drastische Einsparungen in der nächsten Dekade hinbekommen. Allerdings werden mit erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff oder E-Fuels in naher Zukunft eine knappe Ressource sein, um die es einen harten Wettbewerb geben wird – und dies nicht nur zwischen verschiedenen Verkehrsträgern. Für mich persönlich ist die Zukunft im PKW-Bereich elektrisch. Heute schon machbar, effizient und in Zukunft sicherlich viel günstiger als andere alternative Antriebe.
E-Fuels auf einen Blick
Collapses
E-Fuels sind aus CO2 und Wasserstoff synthetisch hergestellte, flüssige Kraftstoffe. Idealerweise stammt der Wasserstoff aus einer mit grünem Strom betriebenen Elektrolyse und der Kohlenstoff aus der Atmosphäre (sogenanntes „Carbon Capture“). Auf dem strombasierten Herstellungsprozess beruhen auch die Bezeichnungen E(lectric)-Fuels und Power-to-Liquid (PtL).
Biokraftstoffe hingegen können aus nachwachsenden Futter- und Nahrungsmitteln wie Mais, Raps, Weizen und Palmöl gewonnen werden. Konkrete Beispiele sind z.B. Biodiesel, Ethanol und Biogas. Biokraftstoffe der sogenannten zweiten Generation werden aus Nebenprodukten und pflanzlichen Abfallstoffen hergestellt und stehen nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.
E-Fuels bestehen aus Kohlenwasserstoffen, die künstlich aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden: Mithilfe von Strom wird Wasser mittels Elektrolyse in seine Bestandteile gespalten: Dabei entsteht neben Sauerstoff auch der für die Synthese von E-Fuels so wichtige Wasserstoff, der dann mit CO2 verbunden wird und den synthetischen Kraftstoff bildet. E-Fuels werden mit Strom aus erneuerbaren Quellen produziert.