Wie KI, Quantencomputing und GreenTech die Industrie verändern
Die Hannover Messe zählt zu den weltweit bedeutendsten Industriemessen und bietet eine zentrale Plattform für technologische Innovationen. Was sind die zentralen Treiber für die Zukunft der Industrie?
Jasmin Franz: Die zentralen Treiber für die Zukunft der Industrie sind zweifellos Künstliche Intelligenz, Quantencomputing und nachhaltige technologische Ansätze wie GreenTech. Diese Technologien sind nicht nur Schlüsselfaktoren für eine intelligentere und ressourcenschonendere Produktion, sondern spielen auch eine immense Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie. Dazu gilt es, die richtigen politischen Rahmenbedingungen zu setzen, um Innovationskraft zu fördern und die erforderlichen Investitionen in Forschung und Infrastruktur zu sichern. Auf der Hannover Messe sehen wir eindrucksvoll, wie diese Technologien heute schon die Industrie transformieren und neue Chancen für die Zukunft gestalten.

Dr. Jasmin Franz leitet die Abteilung Digitale Strategien und Entwicklung im DLR Projektträger. Die promovierte Neurolinguistin verfügt über langjährige Erfahrung und tiefgreifende Expertise in der strategischen Beratung und wissenschaftlichen Vorbereitung von Fördermaßnahmen im Bereich der digitalen Transformation.
Künstliche Intelligenz ist eine der wichtigsten Schlüsseltechnologien für die digitale Transformation von Wirtschaft und Industrie. Wie profitiert die Industrie von KI?
Franz: KI hat bereits heute starken Einfluss auf sämtliche Lebensbereiche wie Bildung, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und die Gesellschaft im Allgemeinen. Wesentliche Einsatzbereiche für KI sind die Analyse großer Datenmengen, die KI-gestützte Bearbeitung von repetitiven und standardisierten Aufgaben, die Optimierung und Automatisierung von Prozessen der Produktion und Logistik oder auch von Aufgaben in der Qualitätskontrolle. Mittels KI-basierten Technologien können auch Nachhaltigkeitsziele erreicht werden – zum Beispiel, indem Prozesse noch effizienter werden. Dies zeigt sich auch im Förderprogramm GreenTech: Viele der geförderten Projekte nutzen KI für ihre Lösungen. Im Sinne der „Twin Transformation“ bedeutet dies aber auch, nachhaltige und ressourceneffiziente KI-Lösungen zu finden. KI kann – richtig eingesetzt – helfen, Nachhaltigkeitspotenziale umzusetzen, und Aspekte von Nachhaltigkeit messbar zu machen sowie gezielt zu analysieren. Zudem kann KI selbst nachhaltiger gestaltet werden und somit den ökologischen CO2-Fußabdruck verringern.
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich mit dem Einsatz von KI?
Franz: Mit dem Einsatz von KI verändern sich das Arbeitsumfeld und somit die Arbeitsorganisation und -prozesse in der Industrie, aber auch in der Wissensarbeit. Gleichzeitig lässt KI neue Berufsfelder und Geschäftsmodelle entstehen, während andere verschwinden oder sich wandeln. Zudem können Unternehmen mit geeigneten KI-Lösungen ihre Effizienz und Produktivität erheblich steigern und so Kosten senken – das kann zu Wettbewerbsvorteilen führen. Auf diesem Weg der Entwicklung gilt es, die Verantwortlichen in der Wirtschaft zu einem ethischen und menschenorientierten Einsatz von KI-Werkzeugen zu befähigen. Deshalb ist es heute schon so wichtig, unsere Fachkräfte für den Umgang mit KI aus- und weiterzubilden. Mit der Gestaltung der Förderaufrufe wollen wir insbesondere den Mittelstand dazu befähigen, innovative KI-Lösungen einzusetzen und dabei die personellen Belange zu berücksichtigen.
„Mit dem Einsatz von KI verändert sich das Arbeitsumfeld und somit die Arbeitsorganisation und -prozesse in der Industrie. Gleichzeitig lässt KI neue Berufsfelder und Geschäftsmodelle entstehen, während andere verschwinden oder sich wandeln.“
Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Industrie. Gerade im Mittelstand bestehen jedoch Hemmnisse durch regulatorische Unsicherheiten, fehlendes Fachwissen oder mangelnde Kompetenz, was den Einsatz von KI betrifft. Inwiefern unterstützen Sie durch Fördermaßnahmen den Mittelstand bei der KI-Implementierung?
Franz: KMU stehen bei uns immer an erster Stelle. Mit dem neuen Technologieprogramm „KI-Innovationswettbewerb – Generative KI für den Mittelstand“ wollen wir das Potenzial für den Einsatz von KI-Lösungen in KMU heben. In Feldern wie der Produktion, Logistik, Rechtswissenschaften, Medizin und Medienwirtschaft sollen verschiedene Nutzungsszenarien und Wege untersucht und entwickelt werden, so dass KI-Systeme in der Wirtschaft implementiert werden können. Durch Konsortien aus relevanten Anwendungs-, Entwicklungs- und Forschungspartnern können beteiligte KMU von den gemeinsamen Projektergebnissen nachhaltig profitieren. Der DLR Projektträger ist ein guter Partner, wenn die dabei entstehenden KI-Lösungen in die Praxis transferiert werden oder wenn daraus neue Geschäftsmodelle entwickelt werden sollen. Mit unserer tiefen Kenntnis des Mittelstands unterstützen wir die Zuwendungsempfänger konkret dabei, mit ihren Forschungsergebnissen ihre Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und der EU zu stärken und Innovationsfelder zu erschließen.
„Mit unserer tiefen Kenntnis des Mittelstands unterstützen wir die Zuwendungsempfänger konkret dabei, mit ihren Forschungsergebnissen ihre Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und der EU zu stärken und Innovationsfelder zu erschließen.“
Was leistet der DLR Projektträger darüber hinaus, um die KI-Spitzenforschung zu unterstützen und insbesondere den Transfer zu fördern?
Franz: Unsere interdisziplinären Teams beobachten den Markt weltweit, führen Fachgespräche mit hochrangigen Expertinnen und Experten, analysieren und ziehen daraus Schlüsse zur Gestaltung gezielter Förderangebote für die deutsche Wirtschaft. Heute nimmt Deutschland in der KI-Forschung eine führende Stellung ein. Es gilt jetzt, diesen großen Standortvorteil aktiv für den europäischen Markt zu nutzen. Um ein Marktversagen der Wirtschaftsakteure im KI-Bereich abzuwenden, ist es notwendig, den primären Markt mit konzentrierten Förderangeboten zu stimulieren. Die so entstehenden Fördervorhaben helfen dabei, in diversen Konsortien Erkenntnisse aus der Forschung in die Anwendung zu bringen, Risiken und Potenziale für die zukünftige Wertschöpfung einzuschätzen und Lösungen zu finden, die nicht nur für einen Use Case Vorteile bringen, sondern auch transferierbar sind.
Twin Transformation: Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Einklang
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die deutsche Industrie nachhaltiger und digitaler werden. Wie kann das gelingen?
Franz: Angesichts wachsender Umweltbedenken und eines immer schnelleren technologischen Fortschritts stehen unsere Gesellschaft und unsere KMU an einem kritischen Punkt: Unsere Wirtschaft soll gleichzeitig digitaler und nachhaltiger werden, was als Twin Transformation bezeichnet wird. Dazu bedarf es neuer Ansätze und Technologien, also grüner Technologie – „GreenTech“. Zusammen mit bestehenden Technologien wie Big Data und KI bieten sie KMU einen Weg, wettbewerbsfähiger, resilienter und umweltfreundlicher zu werden.
Einer der Hauptvorteile von grüner Technologie ist die Verbesserung der Energieeffizienz. Technologien wie intelligente Netze, Energiemanagementsysteme und Internet-of-Things-fähige Geräte ermöglichen es KMU, ihren Energieverbrauch in Echtzeit zu überwachen und zu optimieren. Durch die Einführung energieeffizienter Praktiken können KMU gleichzeitig ihre Betriebskosten und ihre CO2-Bilanz reduzieren. Grüne Technologie kann auch das Lieferkettenmanagement revolutionieren und die Umweltauswirkungen von Produkten während ihres gesamten Lebenszyklus verfolgen. So ist es KMU möglich, den gesamten ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte zu reduzieren.
Durch welche Maßnahmen unterstützen Sie konkret?
Franz: Eine konkrete Maßnahme ist das gut dotierte Förderprogramm „GreenTech“, das wir zusammen mit dem BMWK entwickelt haben. Es beschäftigt sich mit neuen Technologien für effiziente Rechensysteme, für die Abfallreduzierung und das Recycling in einer Kreislaufwirtschaft, für nachhaltige Herstellungsprozesse und vieles mehr. Hier wird an ganz spezifischen Aspekten einer nachhaltigen, digitalen Wirtschaft geforscht und an vielen Beispielprojekten aufgezeigt, wie GreenTech neue Geschäftsmodelle ermöglicht oder KMU wettbewerbsfähiger macht. In unserem aktuellen Förderaufruf werden Ideen gesucht, die digitale Technologien als Hebel für die Kreislaufwirtschaft nutzen, um Hemmnisse auf dem Weg hin zu einer zirkulären Wirtschaft ausräumen. Doch auch in anderen Programmen und Förderaufrufen zur Digitalisierung achten wir auf Nachhaltigkeitsaspekte. In meiner Abteilung Digitale Strategien und Entwicklung geht es zum Beispiel um effizientes und verteiltes Rechnen in der Cloud und der Edge, um die Erprobung eines digitalen Produktpasses, um Edge Datenwirtschaft, um Quantencomputing oder um die Entwicklung energieeffizienter KI.
Können Sie Beispiele aus dem GreenTech Programm nennen, wie Sie KMU bei der Umsetzung ihrer Twin Transformation unterstützen?
Franz: Das Projekt CO2ptiMat beispielsweise nutzt digitale Lösungen, um umweltfreundlichere Produktionsmethoden in der Kunststoffindustrie zu ermöglichen. Ziel ist es, eine insbesondere auf die Anforderungen von KMU passende, schlanke und ökonomische Lösung zu gestalten, welche mit der heterogenen digitalen Infrastruktur sowie unterschiedlichen digitalen Reifegraden von Unternehmen kompatibel und effizient integrierbar ist. Einblicke in erste Komponenten des Software-Prototypen sowie in das Förderprojekt CO2ptiMat werden unsere Kollegen auch am Stand des Fraunhofer-Instituts auf der Hannover Messe geben.
Das Projekt Na, Logisch nutzt KI, um die gesamte Wertschöpfungskette der Lackentwicklung, -produktion und -anwendung zu optimieren. Dieser KI-optimierte Prozess wird in Zukunft den bisherigen Trial-and-Error-Ansatz ersetzen und damit eine Vielzahl von Testzyklen einsparen, was die Prozesse deutlich nachhaltiger macht. Ein Wettbewerbsvorteil für die ca. 200 deutschen Betriebe – davon 90 Prozent KMU, die der Lackherstellung zuzuordnen sind und die laut aktueller Prognose im Jahr 2025 einen Umsatz von rund 11 Milliarden Euro generieren werden.
Diese Beispiele zeigen, wie grüne Technologie sowohl innerbetriebliche Effizienz als auch die Umweltleistung von KMU erheblich verbessern kann.
Quantencomputing – die nächste digitale Revolution
Quantencomputing gilt als die nächste digitale Revolution und besitzt das Potenzial, Innovationen in sämtlichen Branchen neu zu definieren. Welche Anwendungen und Potenziale sehen Sie im Bereich der Quantentechnologien insbesondere für die Industrie?
Franz: Quantencomputer gelten weltweit als Schlüsseltechnologie, weil sie versprechen, gewisse Probleme schneller als herkömmliche Rechner zu lösen. Meine Abteilung setzt seit 2019 Fördermaßnahmen im Bereich Quantencomputing für das BMWK um. Im Experten-Monitoring, aber auch in unserer wissenschaftlichen Begleitung der Projekte sehen wir heute drei mögliche Anwendungsfelder, die für die Industrie relevant sein können. Eins davon lautet: Optimierung – zum Beispiel von Transportrouten, Finanzprodukten oder Produktionsprozessen und den damit verbundenen Effizienzsteigerungen. Ein anderes Anwendungsfeld ist die Simulation von Materialien – für Batterien, Düngemittel oder Medikamente. Und auch in der Verbindung mit KI zeichnen sich spannende Potenziale ab, beispielsweise in der Fehlererkennung von Produktionsprozessen oder der Vorhersage von physikalischen Prozessen. Allerdings liegen alle diese Anwendungen tatsächlich noch weit in der Zukunft und erfordern große technologische Fortschritte. Quantencomputer müssen noch deutlich leistungsfähiger werden – dafür müssen die Anzahl der sogenannten Qubits gesteigert und Fehlerraten gesenkt werden. Und auch im Bereich der benötigten Software ist noch vieles zu tun.
Wie wird Quantencomputing die Wirtschaft verändern?
Franz: Anhand der genannten Anwendungen ist klar: Die Wertschöpfungspotenziale sind groß. Dafür müssen Quantencomputer allerdings aus dem Labor kommen und in existierende Unternehmensprozesse und Infrastruktur eingebunden werden. Wir als Projektträger unterstützen dies, indem wir die Entwicklung von Anwendungssoftware und den dafür benötigten Tools und Methoden im Auftrag des BMWK fördern. Mit dem Thema Quantensoftware haben wir ein gewisses Alleinstellungsmerkmal in Deutschland und Europa und sehen gute Chancen, damit einen wichtigen Beitrag für zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg zu leisten. Generell ist Deutschland in den Quantentechnologien im internationalen Vergleich gut aufgestellt und hat die Chance weltweit führend zu sein. Dafür müssen wir den aktuellen Schwung nutzen und langfristig am Ball bleiben. Aber auch Cybersicherheitsaspekte müssen mitgedacht werden. Die Möglichkeit, mit Quantencomputern zukünftig Verschlüsselungen zu knacken, betrifft die gesamte Wirtschaftswelt mit ihren technischen Systemen und sollte frühzeitig parallel zur Entwicklung von QC-Lösungen adressiert werden. Auch dies ist Teil unserer Konzeptionsarbeit im Projektträger.
Treffen Sie unsere Kolleginnen und Kollegen vom 31. März bis 4. April 2025 auf der Hannover Messe. Erfahren Sie mehr über aktuelle Förderprogramme und profitieren Sie vom persönlichen Austausch mit den Fachexpertinnen und -experten des DLR Projektträgers. Mehr zu unseren Aktivitäten auf der Hannover Messe erfahren Sie in unserer News.