Teaser Bild
Image
Zwei Wissenschaftlerinnen in einem Labor

Gen- und zellbasierte Therapien – großes Potenzial für die Medizinforschung

Untertitel
Ein Interview mit Dr. Richard Mitreiter vom DLR Projektträger, Leiter der Abteilung Innovationen in der Krankheitsbekämpfung im Bereich Gesundheit.
Teaser Text

Die biomedizinische Forschung macht schnelle Fortschritte. Gen- und zellbasierte Therapien (GCT) versprechen Hilfe für Patientinnen und Patienten mit seltenen genetischen Erkrankungen, aber auch für die Behandlung einiger Volkskrankheiten. Im Interview berichtet Dr. Richard Mitreiter vom Potenzial und den Herausforderungen rund um die GCT.

Content Module Text

Herr Dr. Mitreiter, gen- und zellbasierte Therapien wecken große Hoffnungen für die medizinische Versorgung. Teilen Sie diesen Optimismus?

Ja, aus meiner Sicht haben gen- und zellbasierte Therapien ein sehr großes Potenzial. Gerade für Menschen, die an sehr seltenen oder schwer zu behandelnden Erkrankungen leiden, können sie neue Hoffnung darstellen. Die neuen Therapien könnten Symptome lindern, Krankheitsverläufe stoppen und manche Erkrankung im besten Fall sogar heilen.

Was verbirgt sich denn hinter dem Begriff „gen- und zellbasierte Therapien“?

Tatsächlich ist dies ein Oberbegriff – wenn Sie näher hinschauen, geht es um sehr unterschiedliche Ansätze, Methoden und Behandlungen. Beispielsweise für Erkrankungen, bei denen ein defektes Gen dazu führt, dass ein wichtiges Protein im Körper nicht gebildet wird. Durch eine genbasierte Therapie kann genau dieses Gen repariert werden. Werden wiederum ganze Zellen nicht oder nicht voll funktionsfähig gebildet, so kann eine zellbasierte Therapie helfen. Hierbei werden den Patientinnen oder Patienten gesunde Zellen injiziert.

Beide Ansätze lassen sich oft kombinieren: Dafür werden der Patientin oder dem Patienten körpereigene Zellen entnommen, genetisch verändert und wieder zugeführt. Eines ist aber allen diesen Therapieformen gemeinsam: Jede von ihnen ist speziell auf den individuellen Patienten und seine jeweilige Erkrankung zugeschnitten.

Text

Porträt

© Marco Leuer

Dr. Richard Mitreiter vom DLR Projektträger befasst sich seit 15 Jahren mit dem Themenfeld gen- und zellbasierte Therapien (GCT). Als Leiter der Abteilung Innovationen für die Krankheitsbekämpfung im Bereich Gesundheit beobachtet er die schnelle Entwicklung in der Forschung. Obwohl bereits erste Therapien in der Klinik zum Einsatz kommen, sieht er noch ein großes Potenzial für diese neue Therapieform.

Content Module Text

Werden diese Therapien denn bereits erfolgreich eingesetzt?

Ein Großteil der möglichen gen- und zellbasierten Therapien wird gerade in klinischen Studien erforscht. Derzeit sind in Deutschland und Europa 16 Gentherapeutika, zwei Zelltherapeutika sowie zwei biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte zugelassen. Ein Beispiel ist die sogenannte CAR-T-Zelltherapie, die bei Krebserkrankungen eingesetzt werden kann. Reine Gentherapien werden wiederum erfolgreich zur Behandlung einiger Seltener Erkrankungen eingesetzt.

Haben Sie auch hierfür ein konkretes Beispiel?

Ja, das Medikament Zolgensma ist ein gutes Beispiel. Es ist bereits seit Mitte 2020 als Gentherapeutikum zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie (SMA) europaweit zugelassen. SMA ist eine derzeit nicht heilbare seltene Erkrankung, die bereits im Säuglingsalter auftreten kann. Sie geht mit einer sehr eingeschränkten Lebenserwartung einher und wird durch einen speziellen Gendefekt verursacht. Durch diesen Gendefekt funktionieren bestimmte Nervenzellen im Körper nicht, die die Muskulatur im Köper steuern. Die betroffenen Kinder leiden unter einer zunehmenden Muskelschwäche, die nach und nach auch lebenswichtige Funktionen wie Schlucken und Atmen beeinträchtigt. Mit dem neuen Medikament, Zolgensma, erhalten die Kinder einmalig ein „gesundes“ Gen, dass den Gendefekt beseitigt. Verläuft die Behandlung erfolgreich, funktionieren die Nervenzellen wieder normal und der Krankheitsverlauf wird verzögert oder ganz gestoppt.

Wo werden denn solche Behandlungen durchgeführt?

Gen- und zellbasierte Therapien – wie die mit Zolgensma – können nur in spezialisierten klinischen Zentren erfolgen, da für solche Behandlungen eine komplexe technische Infrastruktur und hochqualifizierte Fachkräfte erforderlich sind. Auch weil die Krankheit so selten ist, ist die Behandlung mit sehr hohen Kosten verbunden. Die Therapie mit Zolgensma kostet beispielsweise über zwei Millionen Euro pro Behandlung. Das zeigt deutlich: Es besteht hoher Forschungsbedarf, damit Gentherapien künftig günstiger und für größere Patientengruppen angeboten werden können.

Text

Seltene Erkrankungen

Eine Erkrankung gilt dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Mehr als 6.000 verschiedene Seltene Erkrankungen sind bekannt. Deshalb ist die Gesamtzahl der Betroffenen trotz allem hoch: In Europa leiden insgesamt mindestens 26 bis 30 Millionen Menschen an diesen Krankheiten. Seltene Erkrankungen sind für das Gesundheitssystem eine besondere Herausforderung. Sie treten häufig bereits im Kindesalter auf, führen in vielen Fällen zu einer signifikant kürzeren Lebenserwartung und nehmen meist einen chronischen Verlauf mit großem Einfluss auf die Lebensqualität. Gen- und zellbasierte Therapien können für manche dieser Erkrankungen neue Behandlungswege eröffnen.
 

Content Module Text

Was macht die Forschung in diesem Bereich so schwierig?

GCT zielen insbesondere auf Erkrankungen ab, die sehr komplex sind. Sie sind meist nicht nur schwer zu behandeln, in vielen Fällen müssen auch die genetischen oder zellulären Ursachen noch eindeutig geklärt werden. Aber auch wenn diese bekannt sind, müssen diese hochpräzise und mit großer Effizienz behoben werden. Nur so kann die Behandlung ihre Wirkung entfalten und unerwünschte Nebenwirkungen bleiben aus.

Bis eine neue Therapie zugelassen wird, ist daher ein langer Forschungs- und Entwicklungsprozess notwendig. Denn die Sicherheit der Patientinnen und Patienten steht immer an erster Stelle. Es beginnt mit der Grundlagenforschung im Labor und geht bei Erfolg über die Überprüfung im Tiermodell bis in die klinische Forschung und Erprobung. Für alle dieser Schritte gelten strenge Regeln. Parallel zur wissenschaftlichen Prüfung laufen zudem stets auch ethische und schließlich behördliche Prüfungen. Für Forschende, aber auch Firmen, ist dies eine enorme Herausforderung. Hier setzt unsere Arbeit an. Im Auftrag des Berlin Institute of Health setzen wir entsprechende Forschungsförderung um: Sie soll dazu beitragen, dass Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung schneller in die Versorgung gelangen.

Text

Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) & die Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien

Das „Berlin Institute of Health in der Charité“ (BIH) ist eine Forschungseinrichtung und als Translationsforschungsbereich die dritte Säule der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Seine Mission ist es, die biomedizinische Translation voranzubringen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen schneller in Anwendungen, Produkte und Dienstleistungen kommen, um die Krankenversorgung zum Wohle von Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) hat das BIH beauftragt, eine „Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien“ für Deutschland zu moderieren. Unter seiner Federführung haben 150 Expertinnen und Experten wichtige Forschungsvoraussetzungen und -bedarfe identifiziert. Um die Entwicklung des Forschungsfeldes in Deutschland entlang dieser Strategie voranzubringen, wurde das BIH mit Mitteln zur Projekt- und Personenförderung ausgestattet. Unterstützt durch den DLR Projektträger setzt das BIH kompetitive Förderaufrufe um, um unter Beteiligung internationaler Fachleute, die besten Forschungsvorhaben in Deutschland auszuwählen und zu fördern.

Mit seiner weitreichenden Expertise zur Innovationsförderung in den Lebenswissenschaften berät der DLR Projektträger das BIH bei der Ausgestaltung der beiden Förderlinien zu Translationsprojekten und zur Personenförderung. Zudem beraten die wissenschaftlichen Referentinnen und Referenten des Projektträgers die interessierten Antragsteller, organisieren die internationalen Begutachtungsverfahren und übernehmen das fachliche und administrative Controlling der geförderten Projekte. Im Rahmen der Projektförderung übernimmt das SPARK-BIH-Team mit seiner domänenspezifischen Fachexpertise die inhaltliche Betreuung der Projekte nach der SPARK-Methode.

Main and Other Contacts

Kontakt