KI-Talente: Wie Deutschland seine Forschungslandschaft von morgen stärkt

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Innovationsmotor für die KI-Forschung: Was wir tun und noch tun können, um den internationalen Wettbewerb um die Talente zu gewinnen
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KI-Spitzenforschung ist eine exzellente Basis für Innovation, digitale Souveränität und einen zukunftssicheren Wirtschaftsstandort Deutschland. Dazu braucht es die besten Köpfe. Wie KI-Nachwuchsförderung gelingt, erklären France-Audrey Magro und Juliane Lukas vom DLR Projektträger im Interview

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Wo steht Deutschland im Bereich KI-Forschung?

France-Audrey Magro: Deutschland ist in der KI-Forschung international anerkannt. Allein das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) plant in der laufenden Legislaturperiode mehr als 1,6 Milliarden Euro in die Förderung von KI zu investieren. Einen Nukleus des deutschen Ökosystems der KI-Forschung und -Infrastruktur bilden dabei die KI-Kompetenz- und -Servicezentren. Als strukturbildende Maßnahmen tragen sie dazu bei, unsere Innovationskraft, Expertise und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Wir sind als KI-Forschungsstandort weltweit gut vernetzt! Es existiert eine enge Zusammenarbeit mit Wertepartnern, vor allem auf europäischer Ebene. Ein gemeinsames Ziel ist, menschenzentrierte KI zu schaffen und Themen wie Datenschutz, Diversität oder Transparenz zu berücksichtigen. 

Juliane Lukas: Für Spitzenforschung braucht es exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler! Deshalb muss weiterhin gezielt in die kontinuierliche Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses investiert werden. Bis 2023 hat das BMBF zum Beispiel 150 zusätzliche KI-Professuren geschaffen. Mit den Zuse Schools of Excellence in AI wurden Graduiertenschulen ins Leben gerufen, die sich auf KI-Forschungsthemen und -Anwendungen konzentrieren. Neben der Finanzierung von Forschungsaufenthalten und -projekten gibt es auch ideelle Förderangebote wie den Zugang zu renommierten Netzwerken oder Karriere-Mentoring. 

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France-Audrey Magro ist wissenschaftliche Referentin für KI in der Abteilung Datenwissenschaften beim DLR Projektträger. Einer ihrer Schwerpunkte liegt in der Förderung und Vernetzung von KI-Nachwuchsgruppen. Sie treibt beispielsweise den gezielten Austausch zwischen mittlerweile etablierten und neuen Gruppenleitungen voran und schafft dadurch langfristige Mehrwerte für das KI-Ökosystem.

Juliane Lukas ist wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Software-intensive Systeme beim DLR Projektträger. Sie setzt sich dafür ein, dass KI-Talentförderung als ineinandergreifende Pipeline gedacht wird – ein entscheidender Schlüssel, um durch Vielfalt und Kooperation herausragende wissenschaftliche Ergebnisse zu erzielen. Ihre Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Arbeit, Hochschulevaluation und Graduiertenförderung im MINT-Bereich bringt sie in die strategische Beratung ein.

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France-Audrey Magro und Juliane Lukas vom DLR Projektträger sprechen über Nachwuchsförderung in der KI
Juliane Lukas und France-Audrey Magro
© SeelenHerzFotografie / DLR Projektträger
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Was motiviert Sie, sich für den wissenschaftlichen Nachwuchs in der KI-Forschung zu engagieren?

Magro: Es ist eine wirklich schöne Aufgabe, die frühen Karrieren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu begleiten. Wir betreuen die Geförderten dabei besonders eng. Wir unterstützen aktiv beim Netzwerkaufbau und -ausbau und platzieren gezielt laufende Calls. Daraus sind auch schon neue Forschungskooperationen entstanden! Spannend ist auch, wie sich die KI-Talente während und nach der Förderung weiterentwickeln. All diese verschiedenen Aspekte motivieren mich jeden Tag aufs Neue.

Lukas: Meine Motivation basiert stark auf eigenen Erfahrungen im Wissenschaftssystem ­– ich habe selbst von Mentoring, Netzwerken und mehreren Auslandsaufenthalten profitiert. Später als Koordinatorin des Graduiertenzentrums Lebenswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin war ich dafür verantwortlich, Beratungs- und Weiterbildungsangebote für die Graduierenden zu entwickeln. Beide Perspektiven haben mir ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse von Forschenden vermittelt. Mit Engagement und Empathie trage ich nun aktiv zu Lösungen zur Erweiterung des KI-Talent-Pools bei. Besonders am Herzen liegt mir die Förderung des länderübergreifenden wissenschaftlichen Austausches, also deutsche Promovierende und Postdocs für zeitlich begrenzte Forschungsaufenthalte ins Ausland zu bringen und umgekehrt internationale Talente nach Deutschland zu holen.

Talent-Pipeline in die KI-Spitzenforschung: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen 

Was sind die zentralen Aspekte, damit KI-Forschende früh in der Karriere im deutschen Wissenschaftssystem Fuß fassen können? 

Lukas: Es ist wichtig, die Möglichkeiten zu kennen, die für die Weiterqualifizierung im Wissenschaftssystem entscheidend sind. Netzwerken und das Verlassen der eigenen Bubble sind dafür unerlässlich – hier lassen sich teilweise schon im Studium wichtige Weichen stellen. Für junge KI-Forschende ist der akademische Austausch und Aufbau eines breiten und diversen Netzwerks unverzichtbar – zum einen, um ihre Perspektiven zu erweitern und von verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen zu profitieren, zum anderen, um die Sichtbarkeit der eigenen Forschung zu steigern

Gibt es auch Hemmnisse?

Lukas: Da es viele Fördermöglichkeiten für junge KI-Talente gibt, ist es teilweise schwierig, den Überblick zu behalten. In Kombination mit den zahlreichen Initiativen auf EU-Ebene entsteht schnell der Eindruck eines „Förderdschungels“. Mitunter fehlt es an Orientierung, welche Optionen die besten Perspektiven bieten. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob es besser ist, eine eigene Forschungsgruppe zu leiten oder an einem renommierten Forschungsort zu bleiben? Gerade ein regelmäßiger Austausch, sei es im direkten Mentoring oder im eigenen Netzwerk, kann hier Klarheit für die eigene Karriereplanung bringen.

Magro: Genau hier setzt das BMBF an und fördert zum Beispiel den Zugang zu einem europäischen KI-Mentoring-Netzwerk über AI Grid, eigene Mikroprojekte mit dem Industriesektor über den Software Campus und unabhängige KI-Nachwuchsgruppen. Sie helfen systemische Abhängigkeiten und Hemmnisse gezielt zu durchbrechen. Angehende Fachkräfte sammeln dadurch Forschungs- und Führungserfahrung und können fundiertere Karriereentscheidungen treffen.

Diversität als wesentlicher Treiber von Innovation in der KI-Forschung

Wie gewinnen wir KI-Forschende und KI-Talente aus dem Ausland?

Lukas: Exzellenten KI-Postdocs steht die Welt offen. Deutschland ist zwar als Forschungsstandort international anerkannt und bietet gute Rahmenbedingungen – doch entscheidend sind auch Transparenz und Sichtbarkeit: Welche Chancen gibt es konkret in Deutschland? Oft erschweren Stellenanzeigen mit verklausulierten Formulierungen und Gehaltsangaben den Zugang. Hier kann ein gezieltes „Matching“ helfen, wie zum Beispiel in der von uns betreuten Fördermaßnahme Postdoc-NeT-AI, die internationale KI-Talente mit deutschen Institutionen zusammenbringt. Unser Ziel ist es dabei, besonders langfristige Bindungen zu fördern.

Magro: Zusätzliches Potenzial sehen wir darin, Fördermaßnahmen miteinander zu vernetzen – hier arbeiten Frau Lukas und ich Hand in Hand, um den Erfolg weiter auszubauen. So haben wir beispielsweise bei den Postdoc-NeT-AI Vernetzungswochen auf den Call für KI-Nachwuchsgruppen unter Leitung von Frauen (ExperTeam4KI) aufmerksam gemacht. Die Leitung einer Gruppe konnte somit erstmalig mit einer exzellenten Postdoc-NeT-AI-Alumna besetzt werden.

Warum braucht es mehr Frauen in der KI-Forschung?

Magro: Diversität ist in der Wissenschaft, aber natürlich auch in der sich rasant weiterentwickelnden KI, eindeutig notwendig. Denken Sie nur mal an den Gender Gap in der Medizin. Unsere Gesellschaft sollte auch in der KI-Forschung und -Entwicklung vollständig vertreten sein, damit KI-Systeme diese heute und zukünftig gut abbilden! 

Lukas: Diversität ist ein wesentlicher Treiber von Innovation. Unterrepräsentierte Gruppen einzubinden, bringt neue Perspektiven und Herangehensweisen in die Forschung und trägt dazu bei, ethischere und inklusivere KI-Systeme – also auch technologische Diversität – zu schaffen. Daher muss die Förderung von Frauen und anderen unterrepräsentierten Gruppen gezielt vorangetrieben werden. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, zukünftig noch mehr Menschen aus allen Diversitätsdimensionen für den Einstieg in den KI-Bereich zu begeistern. Zudem gilt es, den Technologiebereich und das Wissenschaftssystem insgesamt zugänglicher und attraktiver zu gestalten. Das sind Aufgaben, denen sich insbesondere MINT-Fächer weiterhin aktiv stellen müssen.

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„Diversität ist ein wesentlicher Treiber von Innovation. Unterrepräsentierte Gruppen einzubinden, bringt neue Perspektiven und Herangehensweisen in die Forschung und trägt dazu bei, ethischere und inklusivere KI-Systeme – also auch technologische Diversität – zu schaffen.“

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Juliane Lukas
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Abteilung Software-intensive Systeme, DLR Projektträger
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Portraitbild von Juliane Lukas Mitarbeiterin DLR Projektträger Foto: © Sunny SchneiderSunny Schneider
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© Sunny Schneider
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KI-Nachwuchsförderung zukunftsfähig gestalten

Was braucht es für ein zukunftsorientiertes KI-Forschungsökosystem?

Magro: Natürlich weiterhin gute Förderungen. Zudem müssen wir uns der unglaublichen Erfolgsgeschichten bewusster werden und Vorbilder sichtbarer machen. Eine von diesen motivierenden Success Stories ist die von Lucie Flek, die ich über unsere KI-Nachwuchsgruppen kennenlernte. Flek hat nach ihrer Promotion für weltweit führende Tech-Konzerne gearbeitet, wechselte danach u.a. über die BMBF-Förderung zurück in die Wissenschaft, hat eine mittlerweile zehnköpfige Forschungsgruppe aufgebaut, ist in der Zeit Mutter geworden und als Professorin an die Universität Bonn berufen worden. Zudem ist sie Area Chair am Lamarr-Institut. KI zeigt, wie sich Synergien zwischen Fördermaßnahmen, Wissenschaft und Wirtschaft nutzen lassen, was insbesondere im MINT-Bereich noch eine riesige Ausnahme darstellt.

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„KI zeigt, wie sich Synergien zwischen Fördermaßnahmen, Wissenschaft und Wirtschaft nutzen lassen, was insbesondere im MINT-Bereich noch eine riesige Ausnahme darstellt.“ 

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France-Audrey Magro
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Abteilung Datenwissenschaften, DLR Projektträger
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Portraitbild von France Audrey Magro Mitarbeiterin DLR Projektträger Foto: © Sunny Schneider
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© Sunny Schneider
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