Lehrerinnen und Lehrer
stark für morgen machen
In unserer Wissensgesellschaft spielen Lehrerinnen und Lehrer eine zentrale Rolle. Das hat sich gerade in der Corona-Pandemie noch einmal deutlich gezeigt: Ob und wie gut Kinder und Jugendliche während des Lockdowns unterrichtet wurden, hing auch von den fachlichen, digitalen und persönlichen Kompetenzen der Lehrkräfte ab. Doch Lehrerinnen und Lehrer müssen nicht nur mit digitalen Tools umgehen können und sie didaktisch kompetent einsetzen. Sie sollen auch erziehen, beraten und die Schulen stetig weiterentwickeln
Moderne Lehrkräftebildung braucht Fingerspitzengefühl
Moderne Lehrkräftebildung muss angehende und aktive Lehrkräfte für diese Aufgaben qualifizieren. Einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu gesicherter Qualität in der Lehrerbildung leistet der DLR Projektträger durch die Umsetzung des Bund-Länder-Programmes „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“. Die besondere Herausforderung dabei: Bildung ist Ländersache. Es braucht also viel Know-how und Fingerspitzengefühl, um Innovationen in diesem Multiplayer-System zu etablieren – Kompetenzen, die der DLR Projektträger aufgrund jahrelanger Erfahrung mitbringt.
Seit 2015 liegt der Auftrag zur Umsetzung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung beim DLR Projektträger. Britta Contzen und Dr. Alexander Höse sehen die Erfolge der Fördermaßnahme.
Wofür braucht Deutschland eine Qualitätsoffensive Lehrerbildung?
Dr. Alexander Höse: Wir wissen alle, wie wichtig und prägend die Schule für junge Menschen ist und welch große Rolle die Lehrerinnen und Lehrer dabei spielen. Die Ausbildung der Lehrkräfte in Deutschland ist grundsätzlich qualitativ hochwertig, doch sie ist auch sehr fragmentiert. Es gibt mehrere Phasen vom Studium über den Vorbereitungsdienst bis zur Fort- und Weiterbildung. Das Lehramtsstudium, die sogenannte erste Phase, ist sehr vielfältig und für die Studierenden inhaltlich und organisatorisch eine große Herausforderung. Außerdem genießt das Lehramt an den Universitäten oft nicht den Stellenwert, den es verdient. Deshalb braucht es strukturelle und inhaltliche Verbesserungen, die eine gute Lehrerausbildung „aus einem Guss“ ermöglichen.
Was wurde in rund acht Jahren Strukturförderung erreicht?
Britta Contzen: Lehrerbildung wirkt und hat der Bildung und Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern bereits einen kräftigen Schub in Sachen Qualitätsentwicklung gegeben. Wir erfahren das immer wieder im direkten Austausch mit den geförderten Projekten, aber das belegt auch die externe Programmevaluation anhand von Erhebungen und Interviews. Die Lehrkräftebildung ist an den Hochschulen sichtbarer geworden, wird ernst genommen und übernimmt teilweise die Rolle des Innovationsmotors, zum Beispiel in Sachen digitales Unterrichten.
Welche Rolle spielte der DLR Projektträger dabei?
Dr. Alexander Höse: Auch an den Hochschulen selbst gibt es ein sensibles Geflecht der Personen und Fachbereiche, das wir gut kennen und mit dem wir gut umgehen können. Das Ergebnis ist eine sehr konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Zuwendungsempfängern und das Vertrauen des BMBF, was sich bereits vor einigen Jahren in der Beleihung des Programms niedergeschlagen hat. Der DLR Projektträger verfügt über langjährige Erfahrung im komplexen Zuständigkeitsgefüge der Lehrkräftebildung zwischen Bund und Ländern.
Was ist Ihre Einschätzung, welche Themen werden zukünftig in der Lehrkräftebildung eine Rolle spielen?
Britta Contzen: Im ganzen Feld der Lehrkräftebildung herrscht eine hohe Dynamik, hier muss viel neu gedacht werden. Ich sehe jedoch drei Schwerpunkte: Zum einen die Digitalisierung – das Thema nimmt jetzt erst richtig Fahrt auf. Unsere Vorstellungen von Unterricht werden sich ändern und darauf müssen alle Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Zum zweiten mangelt es an Lehrkräften, der politische Druck ist groß. Es wird darum gehen, mehr Schulabgänger für diesen spannenden Beruf zu begeistern, aber auch Quer- und Seiteneinsteiger zu gewinnen und zu qualifizieren. Und schließlich müssen die aktiven Lehrkräfte ihr Wissen und ihre Kompetenzen stetig erneuern und auffrischen, um mit diesen rasanten Veränderungen Schritt zu halten – aber auch um gesund und motiviert zu bleiben. Die Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern, ihre Strukturen und Inhalte, wird ein wichtiges Themenfeld für die Lehrkräftebildung sein.
Britta Contzen ist wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Hochschulstrukturen, Wissenschafts- und Hochschulforschung. Als ehemalige Lehrerin beschäftigt sie sich besonders gerne mit den Herausforderungen der Lehrkräftebildung und ist Gruppenkoordinatorin des Programms.
Dr. Alexander Höse leitet die Abteilung Hochschulstrukturen/Wissenschafts- und Hochschulforschung, in der auch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung administriert wird. Als ausgebildeter Politikwissenschaftler hat er besonders die politischen Dynamiken und Interessen in der Bildungs- und der Wissenschaftspolitik im Blick.
Was ist die Qualitätsoffensive Lehrerbildung?
Wie wichtig es ist, Lehrkräfte auf diese neuen, gesellschaftlich hoch relevanten Herausforderungen vorzubereiten, haben Bund und Länder bereits 2015 erkannt und die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB) geschaffen. Das Programm zielt darauf ab, vor allem das Lehramtsstudium, aber auch den Vorbereitungsdienst und die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte nachhaltig zu verbessern. Und das mit großem Erfolg: Seit Beginn werden 91 Einzel- und Verbundprojekte an 72 Hochschulen in ganz Deutschland gefördert. Damit sind mehr als die Hälfte der lehrkräftebildenden Hochschulen hierzulande an der QLB beteiligt. Dafür stellt der Bund bis Ende 2023 rund 500 Millionen Euro bereit. Der DLR Projektträger fungiert dabei als Schnittstelle zwischen dem auftraggebenden Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Zuwendungsempfängern, berät zum Projektmanagement und vernetzt die Projekte untereinander. Er leistet damit seit Beginn des Programms einen wichtigen Beitrag und gestaltet so die Schule der Zukunft mit.
Aktuelle Herausforderungen der Lehrkräftebildung
Im Programm haben sich mehrere Themenkomplexe herauskristallisiert, mit denen sich Bildungspolitik und Forschung beschäftigen müssen, um Lehrkräfte und Schulen fit für die Zukunft zu machen – manche davon strukturelle Herausforderungen, andere fachliche Querschnittsthemen:
Collapses
Für die kommenden Jahre prognostiziert die Kultusministerkonferenz einen steigenden Lehrkräftebedarf. Gerade beim Lehrpersonal an berufsbildenden Schulen, dem so genannten beruflichen Lehramt, übersteigt der Bedarf die Zahlen der Absolventinnen und Absolventen deutlich. Zudem blickt ein Großteil der Studierenden in diesem Bereich bereits auf jahrelange Berufserfahrung und Familienphasen zurück; hier sind eine besondere Beratung und flexible Studienmodelle gefragt. Zahlreiche Projekte der Qualitätsoffensive Lehrerbildung erarbeiten daher innovative Lösungen, um
- Lehramtsstudiengänge, z.B. bei Ingenieurinnen und Ingenieuren, bekannter machen,
- geeignete Lehrkräfte zu gewinnen,
- die Studierenden gezielt zu begleiten, damit möglichst wenige das Studium abbrechen,
- Quer- und Seiteneinsteiger optimal auszubilden.
Der DLR Projektträger hat zur Vernetzung der Projekte mit Schwerpunkt „Berufliches Lehramt“ einen Programmworkshop initiiert, in dem die beteiligten Projekte nicht nur ihre wissenschaftlichen und praktischen Ansätze ausgetauscht haben, sondern auch typische Studierende selbst zu Wort kamen und über Lösungsansätze diskutieren konnten. Die Projekte bildeten anschließend ein aktives Netzwerk zur weiteren Kollaboration.
Schule muss digitaler werden – was schon oft gefordert wurde, ist spätestens mit der Corona-Pandemie unausweichlich geworden. In welcher Form und mit welcher Qualität digitaler Unterricht umgesetzt wird, hängt jedoch nicht nur von der technischen Ausstattung der Schule, der Kinder und Jugendlichen ab, sondern auch davon, welche digitalen Medien erprobt sind und wie sie sinnvoll in den Unterricht eingebunden werden können. Herausforderungen für die Lehrkräftebildung sind u.a.
- die Entwicklung didaktisch und fachlich sinnvoller, digitaler Unterrichtskonzepte für möglichst viele Fachbereiche,
- die Erprobung unterschiedlicher Digitalisierungsstrategien für Lehramtsstudierende, junge Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und aktive Lehrkräfte in den Schulen und
- die Erforschung neuer Modelle für das digital gestützte Unterrichten.
Der DLR Projektträger unterstützt über 50 Projekte in diesem Themenfeld. Um hierzu praktisches Wissen an die Hand zu geben, hat er im Auftrag des BMBF die Fachbroschüre „Digitalisierung in der Lehrkräftebildung nach dem Digital Turn“ herausgegeben, in der die unterschiedlichen Herausforderungen von Mediendidaktik, Medienerziehung und digital gestütztem Unterricht anhand vielfältiger Beispiele erläutert werden. Darüber hinaus widmete sich das Projektporträt, eine filmische Dokumentation herausragender Projektbeispiele, 2021 der „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ (siehe Infobox). Im Wintersemester 2022/23 bietet der DLR Projektträger dem wissenschaftlichen Nachwuchs außerdem mit der Online-Workshopreihe „Digitalisierung und…“ die Möglichkeit, sich in diesem Forschungsfeld auszutauschen und zu vernetzen. Ein einmaliger Blick „über den Tellerrand“, den die Doktorandinnen und Doktoranden jetzt schon begeistert aufnehmen.
Deutschlands Vielfalt spiegelt sich auch in der heterogenen Zusammensetzung der Schülerschaft wider. Der Umgang mit Heterogenität und Inklusion in der Schule erfordert sowohl diagnostische als auch Förder- und Beratungskompetenzen, die die angehenden Lehrkräfte erst erwerben müssen.
Von einer diversitätssensiblen und inklusiven Gestaltung von Schule und Unterricht profitieren alle Schülerinnen und Schüler. Schule kann so einen unverzichtbaren Beitrag auf dem Weg zu einer diskriminierungsfreien und offenen Gesellschaft leisten. Davor steht aber die Herausforderung, einen Perspektivenwechsel zu wagen und die subjektiven Normalitätserwartungen zu hinterfragen. Dieser Aufgabe haben in der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ viele Projekte einen Schwerpunkt gewidmet. Dabei geht es um
- die Berücksichtigung von psychischen und gesundheitlichen Einschränkungen, z.B. im Sportunterricht,
- die Thematisierung unterschiedlicher Weltanschauungen und Diskussion demokratischer Werte, nicht nur in den Fächern Ethik, Religion oder Geschichte,
- einen wertschätzenden Umgang mit den Herkunftssprachen der Schülerinnen und Schüler
- und viele weitere Aspekte von Vielfalt in Schule und Gesellschaft.
Der DLR Projektträger hat schon 2018 einen Programmworkshop zur Vernetzung der Projekte in diesem Feld durchgeführt. Die Fachbroschüre „Perspektiven für eine gelingende Inklusion“ bündelte die Expertise der Projekte und bildete den Ausgangspunkt für das „Netzwerk Inklusion“ innerhalb der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“. Im Rahmen der unterschiedlichen Veranstaltungsformate des Programms bietet der DLR Projektträger den Beteiligten regelmäßig Raum zum Austausch.
Schulpraktische Phasen sind fester Bestandteil des Lehramtsstudiums. Sie ermöglichen den Studierenden, sich auf das Unterrichten vorzubereiten, theoretische Kenntnisse in der Praxis zu erproben und den „Praxisschock“ professionell zu bearbeiten. Die geförderten Hochschulen bauen hierfür Kooperationsnetzwerke mit Praktikumsschulen und der schulpraktischen Lehrkräfteausbildung auf. Sie entwickeln Mentoring- und Peer-Feedback-Ansätze und schaffen Fortbildungsangebote für Mentorinnen und Mentoren, also für die Lehrkräfte, die die Studierenden in den Schulen betreuen.
Gleichzeitig ist die solide wissenschaftliche Bildung angehender Lehrerinnen und Lehrer unverzichtbares Qualitätsmerkmal der deutschen Lehrkräftebildung. Sie erfordert die enge Verzahnung der fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Studienanteile. Diese Kohärenz sicherzustellen, ist eine Herausforderung im Wissenschaftsbetrieb und Schwerpunkt zahlreicher Projekte. Diese
- etablieren Querstrukturen zwischen den Fachbereichen der Universitäten, z.B. durch „Schools of Education“,
- bilden Mentorinnen und Mentoren aus, die die drei Ausbildungsphasen von Lehrkräften miteinander verzahnen und
- digitale Medien zur Schul- und Unterrichtsentwicklung etablieren und
- reformieren Stück für Stück die Lehramtscurricula der Universitäten und Hochschulen.
Der DLR Projektträger thematisiert diese strukturellen Herausforderungen auf allen größeren Veranstaltungen des Programms und bietet den Projekten immer wieder Gelegenheit, sich auszutauschen und zu vernetzen. Außerdem macht er die Entwicklung phasenübergreifender Lösungen immer wieder zum Thema von Fachforen und Barcamps, die das Team der QLB im Rahmen von Netzwerktagungen und Programmkongressen organisiert.
Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ verändert die Lehrkräftebildung in Deutschland nachhaltig!
Eine Förderung erreicht nur dann vollumfänglich ihre Ziele, wenn sie nachhaltig wirkt. Bei der Lehrkräftebildung ist das der Fall, wenn Themen in den Curricula der Universität verankert werden oder Weiterbildungen für Mentorinnen und Mentoren verstetigt werden. Eine Bestandsaufnahme erfolgt beispielsweise auf der Netzwerktagung 2022 unter dem Titel „Zukunftsperspektiven durch Transfer und Nachhaltigkeit gestalten“. Am 19. und 20. Oktober kommen die Vorhaben in Leipzig zusammen, um mit Vertreterinnen und Vertretern der Länder und unterschiedlicher Interessengruppen der Lehrkräftebildung über Ansätze und Desiderate zu diskutieren. Der DLR Projektträger hat ein Programm entworfen, das sowohl den wissenschaftlichen als auch den praktischen Interessen der Beteiligten Raum bietet, und wird vor Ort den Austausch begleiten.
Filme zu ausgewählten Themen der Lehrkräftebildung
Der DLR Projektträger konzipiert und setzt jedes Jahr einen Film zu ausgewählten Themen der Lehrkräftebildung um – zum Beispiel „Digitalisierung“ (2021)
Quelle: BMBF
Ob VR-Brillen oder digitale Tools – die Lern- und Lehrformate in der Lehrkräftebildung passen sich immer stärker an die zunehmend digitale Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler an. Das zeigen die Projekte der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB) in Dresden, Kaiserlautern und Passau.