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E-Ladesäule

Herausforderung Ladeinfrastruktur – Abschied vom Plug-in-Hybrid

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Radikale Umbauten sind notwendig.

Ein Interview von Evelyn Stahl, Bereichskommunikatorin für Gesellschaft, Innovation, Technologie
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Bis 2030 sollen auf den Straßen mehr vollelektrische Autos fahren – die Zielvorgabe der Bundesregierung lautet: bis zu zehn Millionen. Dafür braucht es radikale Umbauten: eine rasche einheitliche Normierung der Ladeinfrastruktur sowie eine konsequente Abkehr von der Förderung von Plug-in-Hybrid-Pkw, sagen die ExpertInnen des DLR Projektträgers.

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Zukunft der Mobilität

In einer kurzen Reihe beleuchten die DLR Projektträger Expertinnen und Experten Dr. Jens Erler, Dr. Tania Hancke sowie Jenny von Wnuck Lipinski die Trends rund um die Themen Energie- und Verkehrswende.

Energie und Verkehr zusammen denken

Herausforderung Ladeinfrastruktur – Abschied vom Plug-in-Hybrid

Verkehrswende im urbanen und ländlichen Raum

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Evelyn Stahl: Bis 2030 sollen aus zurzeit 600.000 rein elektrisch fahrenden Fahrzeugen hierzulande bis zu zehn Millionen werden. Voraussetzung dafür ist eine flächendeckende Ladeinfrastruktur. Läuft der Ausbau aktuell schnell genug?

Jens Erler: Es gibt schon eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur, die unsere aktuellen Bestandsfahrzeuge versorgt. Aber in Zukunft muss das ganze vervielfacht werden. Aktuell ist das Anbieten von Ladeinfrastruktur für die Provider nicht immer wirtschaftlich, sie sind also vorsichtig, was den Ausbau angeht. Das liegt auch an Unsicherheiten in Bezug auf zukünftige Standards und Normen für die Infrastruktur. Die Anbieter wollen sich natürlich möglichst zukunftssicher aufstellen.

Jenny von Wnuck Lipinski: Neben technischer Normierung spielt dabei auch die Nutzerfreundlichkeit eine große Rolle. Die Kunden sollen nicht an der Ladesäule stehen und erst einmal überlegen müssen, wie das Aufladen funktioniert. In dem von uns betreuten unIT-e²-Projekt des BMWK wird deswegen von aktuell 26 Partnern über alle Strukturen der Wirtschaft hinweg versucht, gemeinsame Standards zu finden.

Jens Erler: Viele schon angedachte Normen sind noch nicht finalisiert. Die Politik muss hier klare rechtliche Anforderungen schaffen. Zum Beispiel gilt es zu klären, welche Zahlungsmethoden in Zukunft Voraussetzung sind und ob ein Display in der Säule verbaut sein muss. Solange das unklar ist, ist es für die kleineren Anbieter nicht sicher, ob sich eine Investition jetzt schon lohnt. Parallel dazu lässt sich beobachten, dass einige große Player wie beispielsweise EnBW dabei sind Industriestandards zu schaffen, z.B. für Schnellladesäulen.

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Die Politik muss einen klaren gesetzlichen Rahmen für die zukünftige Ladeinfrastruktur definieren und die Schaffung neuer Normen und Standards unterstützen.

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Dr. Jens Erler
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ist wissenschaftlicher Referent des DLR Projektträger in der Abteilung für Elektromobilität und neue Antriebe. Als Physiker beschäftigt er sich mit der Elektromobilität und betreut Projekte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
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Portrait Dr. Jens Erler - DLR Projektträger
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Die Zukunft des Ladens ist flexibel

Evelyn Stahl: Wie wird das praktisch an der Ladesäule aussehen? Wieviel Zeit muss man vor Ort einplanen, bis die Batterie wieder voll geladen ist?

Tania Hancke: Die Zielvision lautet: Schnellladen in zehn Minuten. Der ganze Prozess soll kaum länger dauern als das konventionelle Tanken. Bisher muss man ja nach dem Tankvorgang in die Tankstelle gehen, anstehen und bezahlen. Bei der Ladesäule dagegen halte ich die Karte dran, ziehe nach ein paar Minuten den Stecker raus – und fertig. In Summe also die gleiche Zeit.

Jens Erler: Der DLR Projektträger betreut beispielsweise das vom BMWK geförderte Vorhaben ultraBatt. In dem werden Batterien darauf vorbereitet, eine hohe Ladeleistung anzunehmen ohne frühzeitig zu altern. Denn es reicht nicht, leistungsfähige Ladesäulen zu bauen, das Auto muss hohe Ladeleistungen auch aufnehmen können. Aktuell reizt kein Pkw auf dem Markt die derzeitige maximale Ladeleistung des kombinierten Ladestandards CCS aus, den einige Ladesäulen schon bereitstellen können.

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Die Zielvision lautet: Schnellladen in zehn Minuten. Der ganze Prozess soll kaum länger dauern als das konventionelle Tanken.

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Dr. Tania Hancke
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arbeitet als wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Energie- und Verkehrssysteme des DLR Projektträgers. Die promovierte Ingenieurin betreut vor allem die Projekte des Bundesverkehrsministeriums zum automatisierten, vernetzten Fahren.
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Portrait Tania Hancke - DLR Projektträger
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Tania Hancke: Ein echtes Zukunftsmodell sind dabei sogenannte große Ladeparks oder kleinere Ladehubs, in denen sich die Wartezeit etwa mit einem Kaffee in netter Atmosphäre verbinden lässt – möglichst auch mit Wetterschutz. Sanitäre Anlagen natürlich inklusive. Wenn dieser Ladepark dann auch noch in der Nähe einer Windanlage gebaut ist oder über eine eigene Photovoltaikanlage mit Speicher verfügt, entfällt der Transport des Stroms über das Netz. Wir nennen das Netzdienlichkeit.

Jens Erler: Kurze Transportwege senken den Netzausbaubedarf und die Steuerlast. Der Ladestrom kann dadurch günstiger angeboten werden. Es gibt aber noch viele weitere Ladekonzepte, die es so heute noch nicht gibt und die relevant werden. Tanken kann man nur an Tankstellen, laden hingegen im Ladepark, zu Hause, auf der Arbeit, auf dem Parkplatz beim Supermarkt, im Parkhaus, am Straßenrand oder sogar induktiv während der Fahrt.

Plug-in-Hybrid-Pkw bringen keine Vorteile

Evelyn Stahl: In der EU gibt es das Maßnahmenpaket Fit for 55, laut dem die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken sind. Ab 2035 dürfen deshalb alle neu verkauften, leichten Nutzfahrzeuge und Pkw nicht mehr, auch nicht anteilig, von einem konventionellen Verbrennungsmotor betrieben werden. Welche Rolle spielen hybride Antriebskonzepte in dieser Rechnung?

Tania Hancke: Wenn Plug-in-Hybride heute gefördert werden sollen, müssen sie mindestens 60 Kilometer mit Strom fahren können. Höhere Reichweiten werden über den Benzinmotor erzielt. Im Grunde ist die Kombination in Hinblick auf die CO2-Bilanz des einzelnen Fahrzeugs nicht sinnvoll. Neben dem konventionellen Antrieb wird noch zusätzlich das Gewicht des elektrischen Antriebsstrangs durch die Gegend gefahren. So sind die Fahrzeuge schwerer als die reinen Verbrenner.

Jenny von Wnuck Lipinski: Für die Hersteller, die gewisse CO2-Vorgaben mit ihren Neuwagenflotten erfüllen müssen, sind Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge aktuell attraktiv, weil sie in die Gesamtflottenberechnung mit „Supercredits“, sogenannten Multiplikatoren, auf die CO2-Flottenwerte einfließen und somit die Gesamtstatistik „schönen“. Dabei wird angenommen, dass die Hybriden überwiegend im Elektromodus betrieben werden.

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Die Kunden sollen nicht an der Ladesäule stehen und erst einmal überlegen müssen, wie das Aufladen funktioniert.

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Jenny von Wnuck Lipinski
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ist Chemikerin und wissenschaftliche Referentin in der Abteilung für Elektromobilität und neue Antriebe. Sie beschäftigt sich mit den Themen Wasserstoff und Batterien und betreut Projekte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
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Portrait Jenny von Wnuck-Lipinski - DLR Projektträger
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Tania Hancke: In Wahrheit erzeugen Hybridfahrzeuge mehr CO2 als die reinen Verbrenner, weil sie überwiegend im Verbrennermodus betrieben werden – bei Dienstfahrzeugen sind das etwa 85 Prozent – und dann das Doppelte bis Vierfache des für sie angegebenen CO2 ausstoßen. Immerhin haben die Abgeordneten des EU-Parlaments in diesem Jahr beschlossen, der Neuzulassung von Verbrennern ab 2035 einen Riegel vorzuschieben. Viele Autobauer haben für einzelne Marken weitreichendere Selbstverpflichtungen beschlossen. Die Marke Jaguar des indischen Herstellers Tata oder Lancia unter dem Dach von Stellantis haben angekündigt, ab 2024 nur noch vollelektrische Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. In Deutschland gilt das bisher unter anderem für die Marken Audi ab 2026 und Opel ab 2028.

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Dr. Jens Erler

Dr. Jens Erler

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Gesellschaft, Innovation, Technologie
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