Smart City – digital allein reicht nicht
Auf dem Weg zur Smart City setzen Städte und Kommunen weltweit digitale Lösungen in der Stadtentwicklung ein. Das betrifft fast alle Bereiche des täglichen Lebens, etwa Mobilität, Wohnen oder Bildung. Im Sinne des Leitbilds der nachhaltigen europäischen Stadt geht es darum, das Leben aller zu verbessern, Bürgerinnen und Bürger transparenter an Entscheidungen zu beteiligen und Ressourcen zu schonen und das Klima zu schützen.
Smart ist nicht gleich digital
Es geht um die Verknüpfung der digitalen und der analogen Welt, um das Einbeziehen der gesamten Stadtgesellschaft in das Entstehen von Zukunftsvisionen, um die Entwicklung und Umsetzung innovativer Konzepte und um die Vernetzung mit anderen Städten und Kommunen. Die Digitalisierung ist dabei immer nur ein Werkzeug, das Kommunen in die Lage versetzt, die Lebensbedingungen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.
Vom Getriebenen zum Gestalter
Damit Städte und Kommunen also tatsächlich in ihrer smarten Zukunft ankommen, muss es Politik und Verwaltung gelingen, die Menschen vor Ort mitzunehmen – und hier auch weniger digital-affine Gruppen einzubinden. Für alle Interessensgruppen, Zivilgesellschaft wie regionale Wirtschaft, müssen analoge und digitale ‚Angebote kombiniert werden. Nur so lässt sich die Transformation hin zur Zukunftsstadt steuern und umsetzen. Zugleich darf die Smart City nicht zum Selbstzweck werden: Debatten über Sinn und Zweck der Digitalisierung müssen möglich, andere Optionen offen sein. Es kommt daher jetzt darauf an, dass Kommunen, die bisher eher Getriebene der digitalen Entwicklung waren, zu Gestaltern eines „smarten“ Gemeinwesens werden.
Interessen im Gleichgewicht
Die Erhebung und kommerzielle Nutzung von Daten ist neben Arbeit, Boden und Kapital zum vierten und wahrscheinlich wichtigsten Faktor der Wertschöpfung geworden. Dies wird insbesondere in den Innenstädten sichtbar. „Smart“ bedeutet deshalb auch, eine Balance zwischen öffentlichen Belangen und unternehmerischen Interessen herzustellen, insbesondere von multinationalen Technologieanbietern und Datendienstleistern. Eine stetige „Neuaushandlung“ der Wechselwirkungen von Gemeinwohl- und privatem Interesse ist hierfür erforderlich.
Upgrade des kommunalen Betriebssystems
Ein Ziel der Politik sollte es also sein, die öffentliche Hand auf allen Ebenen in die Lage zu versetzen, Gestalter ihrer eigenen Entwicklung zu werden. Um das zu erreichen, bedarf es einer Art „Upgrade des kommunalen Betriebssystems“, mit dem analoge und (teil-)digitalisierte Prozesse erneuert und auf moderne und zukunftsfähige Art und Weise kombiniert werden können. Das setzt voraus, dass Städte und Kommunen ihre „smarten“ Kompetenzen ausbauen, indem sie ihre methodischen Fähigkeiten in Planungs-, Steuerungs- und Umsetzungsprozessen verbessern. Das kann unter anderem gelingen, indem Kommunen sich untereinander vernetzen und zum Beispiel gemeinsam genutzte Datenplattformen aufbauen. So können etwa „digitale Zwillinge“ von Städten entstehen, welche komplexe Simulationen ermöglichen und so neue Wege für eine vorausschauende Stadtplanung und Bürgerpartizipation eröffnen. Der Aufbau eines solchen lernenden und offenen Innovationssystems ist ein zentrales Ziel der im DLR-PT federführend betreuten Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities.
Anlaufstelle für Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Smart City ist die neue Koordinierungs- und Transferstelle (KTS), an der unter Federführung des DLR Projektträgers ein Konsortium unterschiedlicher Partner aus Forschung, Stadtentwicklung und Beratung beteiligt ist. Die KTS unterstützt und vernetzt u.a. die vom Bund geförderten 73 Modellprojekte Smart Cities. Ziel ist es, innovative Lösungen für Zukunftsfragen zu entwickeln und Impulse für erfolgreiche Transformationsprozesse für alle Kommunen in Deutschland zu geben.
Das Bundesprogramm
Modellprojekte Smart Cities
Bürgerbeteiligung als zentrales Element
Um den drängenden Herausforderungen der Stadt- und Landgesellschaft zu begegnen, sind Offenheit, Dialog und Einbindung unabdingbar – beim Umgang mit der Klimakrise, der Digitalisierung der Verwaltung, der wirtschaftlichen Erholung und Stabilität der Innenstädte, der nachhaltigen Energieversorgung oder der zukunftssicheren Mobilität. Wir benötigen flächendeckend digitale partizipative Formate, die Entscheidungsträger befähigen, die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft, Expertinnen und Experten sowie Bürgerinnen und Bürger bei der Identifizierung von Lösungen effizient und effektiv einzubeziehen. Beispiele für Experimentierräume zur Entwicklung und Erprobung innovativer Lösungen sind Hackathons und Reallabore.
Die Erfahrungen des DLR-PT bei der Gestaltung partizipativer Agendaprozesse auf kommunaler und regionaler Ebene (etwa in Bürger- oder Stakeholder-Dialogen) zeigen, dass die dabei getroffenen Festlegungen nachhaltig legitimiert sind und in der Umsetzung auf breite Akzeptanz bei den Beteiligten stoßen. Das Potenzial solcher Ansätze für das kollaborative Planen, Arbeiten und Umsetzen, etwa bei der Leitbildentwicklung oder beim Aufstellen von Bürgerhaushalten, ist groß.
Zukunftsfeste Entwicklung
Auch hier gilt, dass digitale Formate ihr Potenzial nur dann entfalten können, wenn grundlegende Prinzipien guter partizipativer Praxis beachtet werden: Transparenz des Prozesses, reale Einflussmöglichkeiten der Beteiligten, inhaltliche Offenheit der Ergebnisse und die Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen. Aus der Betreuung von Förderprogrammen für Kommunen wissen wir zudem, dass digitale Bildungsmaßnahmen als Element des lebenslangen Lernens eine wichtige Voraussetzung sind, um soziale und berufliche Teilhabe zu ermöglichen. Um möglichst viele Gruppen anzusprechen, müssen die Formate und die Ansprache nutzerfreundlich, niederschwellig und barrierefrei sein. Gelingt dies, lassen sich bildungsferne, junge und ältere Bevölkerungsgruppen gleichermaßen erreichen.
Länderübergreifende Rahmenbedingungen nötig
Bei allen gemeinsamen Herausforderungen und Lösungsansätzen darf man eines nicht vergessen: Es gibt nicht „die“ Smart City. Weltweit verfolgen Smart-City-Strategien zwar ähnliche Ziele – die Dimensionen und die Arten, sie umzusetzen, sind jedoch äußerst vielfältig. So müssen Städte und Kommunen bei der Entwicklung einer Smart-City-Strategie ihre jeweilige „eigene Sprache“ und Zielsetzung definieren und alle relevanten Akteure der Stadtgesellschaft einbeziehen. Dazu sind strukturelle nationale, europäische und internationale Rahmenbedingungen erforderlich, die datenbasiertes öffentliches Handeln und privates Wirtschaften transparent, fair und sicher ermöglichen. Neben Infrastruktur-Voraussetzungen wie datenschutzkonformen Cloud-Lösungen (etwa GAIA-X) und einem regulativen Rahmen für Datenzugang und -nutzung gehört hierzu auch ein Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung: Mit neuen Formaten, mehr Mut zur Innovation, flexibleren Verwaltungsprozessen und finanziellen Mitteln zur breiten Förderung von Projekten können Smart-City-Strategien eine noch größere Wirkung entfalten. Das förderpolitische Instrumentarium, auch auf Bundes- und EU-Ebene, das die strukturellen Rahmenbedingungen effektiv flankiert, sollte angepasst und ausgebaut werden, um die zukunftsorientierte Transformation in Städten und Kommunen unmittelbar zu unterstützen:
Zentrale Empfehlungen an die Politik
- Ressortübergreifende Zusammenarbeit auf allen Ebenen
Für einen glaubwürdigen integrierten Handlungsrahmen der Kommunen in Deutschland muss die koordinierte, ressortübergreifende Zusammenarbeit auf allen Ebenen gestärkt werden. So können unterschiedliche Ressortzuständigkeiten wie z.B. Klimaschutz, Verkehr, Bauwesen oder Datenstrategien auf die Ziele der Smart Cities einzahlen. Das im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigte Smart-City-Kompetenzzentrum geht hier in die richtige Richtung.
- Ausweitung und Anpassung nationaler und internationaler Koordinierungsformate
Der Bedarf von Städten und Kommunen, strategische und kreative Kapazitäten auf- und auszubauen, um unter Einbindung des gesamten Gemeinwesens zukunftsorientierte und umsetzbare Visionen zu entwickeln und in die Praxis zu bringen, ist enorm. Nationale und internationale Koordinierungsformate für einen strukturierten und offenen Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch sowie die co-kreative Erarbeitung von (Open-Source-)Lösungen, die angepasst, repliziert, skaliert, weiterentwickelt und ihrerseits geteilt werden können, müssen dafür ausgeweitet werden. Auf diese Weise kann ein selbstlernendes System von Städten und Kommunen entstehen, die in zunehmend autonomen Netzwerken die nachhaltige und digitale Transformation meistern.
- Entwicklung zielgerichteter Förderinstrumente
Damit öffentliche Investitionen eine Hebelwirkung in Wirtschaft und Gesellschaft entfalten können, bedarf es spezifischer Instrumente, zum Beispiel der Förderung einer auf Innovation und Nachhaltigkeit ausgerichteten öffentlichen Beschaffungspraxis. Unsere Beratungserfahrung zeigt, dass eine solche nachfrageorientierte Förderung ein wesentlicher Baustein für Zukunftsinvestitionen des kommunalen öffentlichen Sektors ist. Die Schaffung neuer Märkte insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups ist von hoher industriepolitischer Bedeutung und stärkt die technologische Souveränität. Zugleich lassen sich strategische Ziele, etwa das einer zirkulären Wirtschaft, besser und schneller erreichen.