Übertragbare Erkrankungen
Die Auswirkungen des Klimawandels, Effekte der Globalisierung und der sektorübergreifende Einsatz von antimikrobiellen Substanzen bringen jedoch zunehmende Herausforderungen mit sich, denen evidenzbasiert und konsequent begegnet werden soll. Dies betrifft insbesondere auch den sachgerechten und sparsamen Einsatz von Antibiotika, auch über die Humanmedizin hinaus.
Die SARS-CoV-2 Pandemie hat in jüngster Zeit deutlich gezeigt, wie schnell sich neue Krankheitserreger global verbreiten und die Gesundheit vieler Menschen beeinträchtigen und unmittelbar gefährden können. Um auf etwaige künftige epidemische und pandemische Ereignisse und Krisensituationen vorbereitet zu sein, sollen Surveillance-Instrumente sowie Kommunikations- und Schutzkonzepte einschließlich Impfungen stetig weiterentwickelt werden.
Für mögliche zukünftige besondere biologische Gefahrenlagen, die sich in der globalen Mobilität der Menschen oder klimabedingte Verbreitung etwa durch zoonotische Krankheitserreger begründen, sind tragfähige Strategien zur Bekämpfung zu entwickeln. Dies schließt Konzepte zur Verhinderung oder Eindämmung der vorsätzlichen Verbreitung von gefährlichen Erregern ein. Aber auch der öffentliche Gesundheitsschutz und die Hygiene in unterschiedlichsten Bereichen des öffentlichen Lebens sind zu verbessern – vom Krankenhaus bis zum Arbeitsplatz und Freizeitanlagen.
Sexuelle Gesundheit schließt nicht nur die Verhinderung und die Behandlung von sexuell übertragbaren Infektionen ein. Sie umfasst auch Wohlbefinden, Selbstbestimmung und Lebensqualität aller Menschen, ungeachtet der sexuellen Identität. Die Entwicklung bedarfsgerechter und passender Versorgungs- und Präventionsmodelle berücksichtigt dabei die Kenntnis aktueller Bedarfe, Bedürfnisse und Risikofaktoren unterschiedlichster Zielgruppen und Lebensbereiche sowie den engen Austausch mit Betroffenen.
Antimikrobielle Resistenzen verhindern und bekämpfen
Antibiotika sind essentielle Werkzeuge zur Behandlung bakterieller Infektionen und zählen zu den wichtigsten Errungenschaften in der Geschichte der Medizin. Das seit vielen Jahren zunehmende Auftreten resistenter Erreger schränkt die Wirksamkeit und damit den Einsatz dieser so wichtigen Medikamente jedoch immer häufiger ein. Damit auch künftig bei behandlungsbedürftigen Infektionen wirksame Medikamente zur Verfügung stehen, sind ein sachgerechter, maßvoller Einsatz von antimikrobiellen Substanzen, die kontinuierliche Überwachung von Resistenzen sowie neue Erkenntnisse und Behandlungsansätze erforderlich.
Der verantwortungsvolle Einsatz von Antibiotika ist das effektivste Instrument zur Eindämmung bakterieller Resistenzen. Die sogenannte „Antibiotic Stewardship“ hat in den vergangenen Jahren festen Einzug in den Behandlungsalltag gefunden und definiert Prinzipien für den Umgang mit Antibiotika. Allerdings muss gewährleistet werden, dass dieser Ansatz flächendeckend und praxisorientiert an allen relevanten Stellen des Gesundheitssystems umgesetzt werden kann – von der Universitätsklinik bis zur Landarztpraxis.
Um konkrete Maßnahmen zur Verhinderung und Eindämmung von Resistenzen entwickeln zu können, bedarf es der konsequenten Erfassung bekannter und neuer Resistenzen sowie der Überwachung ihrer Verbreitung (Antibiotikaresistenz Surveillance), aber auch zu Einsatz und Verbrauch von Antibiotika. Etwaige Trends können auf diese Weise frühzeitig identifiziert und datenbasiert Maßnahmen entwickelt werden, um diesen entgegenzusteuern. Resistenzen treten aber nicht nur bei Bakterien, sondern auch bei anderen pathogenen Organismen auf, die eine Gesundheitsgefahr für den Menschen darstellen können, darunter Pilze wie der Hefepilz Candida auris. Auch hier ist eine engmaschige Überwachung erforderlich, um effiziente Maßnahmen formulieren zu können.
Obwohl die Mechanismen und Auslöser für die Entwicklung von Resistenzen vielfach aufgeklärt sind, werden weitere Ansätze zu deren Bekämpfung und Vermeidung benötigt. Dazu gehören Forschungsansätze und prädiktive Modelle für das Risiko einer Resistenzbildung für spezifische Erreger, oder der etwaige Einfluss von individuellen Verhaltensweisen und Gewohnheiten auf die Besiedlung mit resistenten Bakterien.
Antimikrobielle Substanzen werden nicht nur beim Menschen, sondern auch zur Behandlung von Haus- und Nutztieren eingesetzt. Es ist daher ratsam, dass Forschung zur Verhinderung neuer Resistenzen unbedingt im kontinuierlichen Austausch, besser noch gemeinsam mit allen betroffenen Disziplinen erfolgt. Nur die Abstimmung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten aus den Bereichen Human- und Tiermedizin, Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit sowie Umwelt ermöglicht die Entwicklung nachhaltiger, wirkungsvoller Maßnahmen. Dieser Ansatz wird als „One Health“ bezeichnet und ist ein Leitprinzip der Ressortforschung.
Zukünftig wird es auch erforderlich sein, Alternativen für die Therapie mit antimikrobiellen Substanzen zu erforschen, Wege zu deren Nutzung aber auch Begrenzung zu identifizieren und zu erproben, etwa für den Einsatz von Bakteriophagen. Dies gilt insbesondere für Antibiotikaklassen, deren Einsatz aufgrund einer hohen Zahl von Resistenzen bereits stark eingeschränkt ist. Es betrifft aber auch individuelle, patientenspezifische Behandlungsansätze beim Nachweis multiresistenter Erreger.
Themen der Ressortforschung
- Antimikrobielle Resistenzen durch Überwachung und professionellen Umgang verhindern
- Forschung zur Sicherstellung des sachgerechten Antibiotikaeinsatzes
Pandemic und epidemic Preparedness fördern
Das Leben in einer globalisierten Welt sowie die zunehmenden Effekte des Klimawandels begünstigen das Entstehen neuer übertragbarer Erkrankungen, die Veränderung bekannter Erreger, aber auch das Auftreten von bisher in Deutschland nicht heimischen Infektionserkrankungen oder Erregervarianten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Ereignis wie die SARS-CoV-2 Pandemie künftig wiederholen wird, ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig angestiegen. Um dem zu begegnen, sind eine erhöhte Wachsamkeit und verbesserte Reaktionsfähigkeit unabdingbar.
Hierfür stehen bereits effiziente Instrumente zur Verfügung. Dazu gehört die Erfassung relevanter Infektionserkrankungen und Erreger sowie entsprechende Meldesysteme wie die Erreger-Surveillance, die Erfassung der Krankenhauskapazität oder auch das Monitoring von Abwasser. Um Auffälligkeiten und Trends bei der Erregerverbreitung erkennen zu können sowie regionale und globale Krankheitsausbrüche zügig zu erfassen, sollen diese kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dies schließt auch die Erforschung besonderer biologischer Gefahrenlagen und Pathogene ein, beispielsweise vor dem Hintergrund der vorsätzlichen Erregerverbreitung. Voraussetzung für die zeitnahe Identifizierung von Erregern und Erregervarianten ist zudem die kontinuierliche Verbesserung verlässlicher Diagnosemöglichkeiten.
Die SARS-CoV-2 Pandemie hat weltweit die Grenzen und Schwachstellen bestehender Pandemiemaßnahmen aufgezeigt. Es gilt daher, Strategien, Pandemiepläne, Schutzkonzepte und Krisenstrukturen für Deutschland unter Berücksichtigung der aktuellen Erfahrungen evidenzbasiert weiterzuentwickeln oder auch neu zu schaffen.
Der erfolgreiche Umgang mit und die Bekämpfung von infektiologischen Notlagen erfordern aber auch die Mitarbeit und Resilienz der Bevölkerung. So sind die körperliche und seelische Gesundheit wichtige Voraussetzungen, um die entsprechenden Herausforderungen gut bewältigen zu können. Dabei ist eine sinnvolle Abwägung zwischen Infektionsschutzmaßnahmen und sozialen Bedürfnissen zu beachten.
Die gezielte Prävention und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten können in vielen Fällen auch das Risiko für epidemische und pandemische Ereignisse verringern. Auch dies hängt entscheidend von der Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger ab und bedarf einer transparenten, verständlichen und abgestimmten Kommunikation aller verantwortlichen Stellen. Es sollen Strategien entwickelt werden, um Hintergründe und Sachverhalte wissenschaftlich fundiert und verständlich aufzubereiten und zielgruppengerecht zur Verfügung zu stellen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen in die Lage versetzt werden, unabhängig von Alter, Bildungsstand oder Herkunft verlässliche Informationen zu erhalten – von Maßnahmen des Infektionsschutzes bis zur Impfaufklärung. Auf der Grundlage dieser Informationen sind sie in der Lage, Entscheidungen über die jeweils angemessenen Verhaltensmaßnahmen und die eigene Gesundheit zu treffen. Hierbei sind insbesondere etwaige Ängste und Vorbehalte sensibel zu adressieren.
Reiseaktivitäten und Migration als Teile der Globalisierung erfordern spezifische Strategien sowie eine effektive epidemiologische Surveillance. Für die Versorgung von Migrantinnen und Migranten ist eine kultursensitive Behandlung notwendig. Strategisch bedarf es langfristiger Partnerschaften in bi- und multilateraler Zusammenarbeit mit den Ursprungsländern, beispielsweise in den Bereichen Surveillance, (Labor-)Diagnostik und Therapie einschließlich der Weiterbehandlung von Rückkehrern.
Themen der Ressortforschung
- Vorbereitung epidemiologischer/pandemischer Notlagen durch Forschung unterstützen
- Erregerverbreitung und emerging infections in einer globalisierten Welt überwachen (Reisemedizin + Migrationsmedizin, Surveillance, Abwassermonitoring)
- Untersuchen wie Impfbereitschaft gesteigert werden kann
- Ansätze zu Wissenschaftskommunikation und öffentliche Kommunikation zu Problemlagen erforschen
Sexuelle Gesundheit weiter verbessern
Sexuell und über Blut übertragbare Erkrankungen sind trotz mittlerweile oft guten Behandlungsmöglichkeiten auch weiterhin mit erheblichen Herausforderungen für das Gesundheitssystem und für die Betroffenen verbunden. Die Erkrankungen berühren viele Bereiche der Infektions- und der Versorgungsforschung, wie beispielsweise Antibiotikaresistenzen, das Auftreten neuer Erregervarianten und den diskriminierungsfreien und adressatengerechten Zugang zu Informationen und zur Gesundheitsversorgung. Es werden auch weiterhin langfristige Strategien zur Eindämmung, Verhinderung und Therapie benötigt.
Da es sich insbesondere bei sexuellen Übertragungswegen um eine oftmals schambehaftete Thematik handelt, die viele unterschiedliche und spezifische Betroffenengruppen und Lebenswelten einschließt, bedarf es besonders sensibler und zielgerichteter Herangehensweisen und Ansätze. Sie sollen eine offene Kommunikation zur sexuellen Gesundheit normalisieren und fördern und dabei die Perspektive der Betroffenen berücksichtigen.
Sexuell übertragbare Infektionen werden aufgrund von Unkenntnis oder aus Scham, aber auch bei Symptomfreiheit teilweise erst spät oder gar nicht erkannt oder nicht ausreichend behandelt. Damit steigt die Gefahr der Weitergabe an Sexualpartnerinnen und Sexualpartner, aber auch für erneute Infektionen. Das wiederum kann die Übertragung und das Entstehen von Antibiotikaresistenzen begünstigen. Für einige Erkrankungen wie der Gonorrhoe steigt die Zahl der Antibiotikaresistenzen seit Jahren an. Dies kann künftig die Behandlungsoptionen deutlich einschränken. Es bedarf daher einer engmaschigen Überwachung der Infektionslage, der zirkulierenden Erregervarianten und der bekannten und neu auftretenden Resistenzen.
Daneben werden auch weiterhin zielgerichtete Präventionsmaßnahmen und -strategien benötigt, die über alle Alters- und Bevölkerungsgruppen hinweg über Risikoverhalten und Infektionswege aufklären. Zugleich sollen neue Wege und Angebote für niedrigschwellige, aber verlässliche Testmöglichkeiten entwickelt werden, auch solche, die selbständig durchgeführt werden können.
Auch wenn eine HIV-Infektion weiterhin nicht heilbar ist, handelt es sich dabei aufgrund der Forschungs- und Entwicklungserfolge der vergangenen Jahrzehnte mittlerweile um eine weitgehend kontrollierbare chronische Erkrankung. Auch die Behandlung von Hepatitis-Infektionen hat einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Dies bringt jedoch ganz neue gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Beispielsweise sind HIV-positive Personen noch immer mit Vorurteilen und konkreter beruflicher Diskriminierung konfrontiert. Es besteht daher weiterhin Bedarf für eine wissenschaftlich fundierte Aufklärung der Zusammenhänge, um systemische und individuelle Diskriminierung zurückzudrängen
Themen der Ressortforschung
- Verhinderung, Eindämmung und Erforschung sexuell und durch Blut übertragbare Erkrankungen weiter fördern
- Versorgungs- und Präventionsmodelle weiterentwickeln
Öffentliche Gesundheit und Hygiene fördern
An Orten, an denen Menschen aufeinandertreffen, besteht stets ein Risiko für die Übertragung von Infektionskrankheiten. Dieses Risiko kann durch geeignete Hygienemaßnahmen reduziert werden. In Deutschland gibt es hierzu bereits eine Vielzahl verschiedener Ansätze und Regularien für unterschiedliche öffentliche Bereiche. Gleichzeitig bestehen hinsichtlich der öffentlichen Gesundheit mit Blick auf Hygieneaspekte weiterhin Wissenslücken sowie Verbesserungsmöglichkeiten. Diese gilt es, zukünftig, zu adressieren.
Von besonderer Wichtigkeit sind umfangreiche Hygienemaßnahmen an Orten wie Krankenhäusern, Kliniken und Arztpraxen. Hier ist erforderlich, unter hochsterilen Bedingungen operative Eingriffe vorzunehmen. Zugleich begegnen sich an diesen Orten akut Erkrankte und Menschen mit beeinträchtigter Immunfunktion beispielsweise Transplantationspatientinnen und -patienten. Mittels wissenschaftlich fundierter Ansätze sollen zukünftig Gesundheitsrisiken an Orten der Gesundheitsversorgung weiter minimiert und das Aufgabengebiet der Krankenhaushygiene weiter gestärkt werden.
Doch auch an anderen öffentlichen Orten muss eine bestmögliche Hygiene gewährleistet werden. Dazu gehören beispielsweise Schwimmbäder und Pflegeeinrichtungen, aber auch stark frequentierte Orte wie Arbeitsplätze. Hier gilt es, bestehende Richtlinien und Vorgaben evidenzbasiert weiterzuentwickeln sowie neue Bedarfe und Ansätze wissenschaftlich zu eruieren.
Da sich Krankheiten durch die direkte, meist orale Aufnahme von Erregen in den menschlichen Körper besonders gut verbreiten können, sind im Sinne des Gesundheitsschutzes auch Aspekte der Trinkwasser- und Nahrungsmittelhygiene zu beachten. Ein bedeutendes Anliegen ist hier, Quellen und Wege der Kontamination mit Infektionserregern zu erforschen, mögliche Hindernisse zu überwinden und Gefahren abzuwehren.
Themen der Ressortforschung
- Methoden zur Stärkung der Krankenhaushygiene fördern
- Gesundheitsschutz in öffentlichen Einrichtungen (z.B. Schwimmbäder) untersuchen
- Maßnahmen zur Senkung von Krankheitsrisiken durch verbesserte Arbeitsplatzhygiene erforschen
- Sicherheit des Trinkwasser- und Badebeckenwassers weiterentwickeln