Start von europäischen Forschungsprojekten zum sozio-kulturellen Wandel
09.08.2019 — Wie erschaffen Gesellschaften öffentliche Räume in Form von Städten, Regionen, Staaten oder Kulturlandschaften? Und wie wirken solche Räume auf das Zusammenleben von Individuen und Gruppen zurück? Diese Fragen erforschen seit Mai zwanzig europäische Gemeinschaftsprojekte aus Sicht der Geistes- und Sozialwissenschaften im Rahmen der Förderlinie „Public Spaces: Culture and Integration in Europe“ des Netzwerks „HERA – Humanities in the European Research Area“. Die Projekte setzen sich jeweils aus wissenschaftlichen und Praxispartnern mehrerer europäischer Länder zusammen. Insgesamt erhalten sie für ihre Forschungen rund 20 Millionen Euro über einen Zeitraum von etwa drei Jahren.
HERA ist ein Netzwerk europäischer Forschungsförderer für geisteswissenschaftliche Vorhaben. Für die Förderung von „Public Spaces“ haben sich aus dem Netzwerk 24 Länder zusammengeschlossen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vertritt dabei die Bundesrepublik und finanziert mit einem Beitrag von ca. 3,2 Mio. € die Beteiligung von Forschenden und Institutionen aus Deutschland. Neben den Beiträgen der 24 nationalen Förderer unterstützt auch die EU-Kommission „Public Spaces“ mit einem Beitrag von fünf Mio. €. Aufgabe des DLR Projektträgers ist es, im Auftrag des BMBF die deutsche Beteiligung am Netzwerk HERA umzusetzen und die deutschen Projekte in „Public Spaces“ zu betreuen. Die Netzwerkbeteiligung des DLR Projektträgers besteht insbesondere darin, HERA weiterzuentwickeln und weitere kooperative Ausschreibungen zu organisieren. Im Rahmen von „Public Spaces“ betreut und evaluiert der Projektträger die Vorhaben mit deutschen Partnern. Dies beinhaltet insbesondere die mögliche inhaltliche Anbindung von HERA-Projekten an sonstige Förderlinien des BMBF und gewährleistet – in administrativer Hinsicht – die Einhaltung der BMBF-Förderregularien.
Projekte zur Förderung der Geisteswissenschaften
HERA steht für die Förderung von Geisteswissenschaften, die sich als explizit transnational-europäisch, interdisziplinär und öffentlich engagiert bzw. anwendungsnah verstehen, und in diesem Sinn auch die Nachwuchsförderung fokussieren. Die jetzt im Kontext von „Public Spaces“ geförderten Projekte erarbeiten geistes- und sozialwissenschaftliche Analysen und Lösungsansätze für gesellschaftlich-räumliche Fragen beispielsweise in den Feldern Infrastrukturpolitik, Migration oder Städtebau.
So erforscht das unter anderem am Leibniz Institut für Länderkunde Leipzig angesiedelte Projekt „PUTSPACE: Public transport as public space in European cities: Narrating, experiencing, contesting“ europäisch vergleichend den städtischen öffentlichen Personennahverkehr. PUTSPACE untersucht den ÖPNV als Konfliktfeld unterschiedlicher politischer Interessenlagen und die Frage, wie er zur sozialen Integration von Stadtgesellschaften beitragen kann. Mehrere Projekte widmen sich dem Themengebiet Flucht und Migration. Einen kulinarischen Ansatz verfolgt dabei das Projekt „FOOD2GATHER: Exploring foodscapes as public spaces for integration“ der Universität Göttingen. Es erforscht, wie Orte migrantischer kulinarischer Kultur, beispielsweise Märkte oder Food-Festivals, zur gesellschaftlichen Integration beitragen können. Andere Vorhaben fokussieren die räumlichen Prozesse rund um Stadtplanung und Städtebau, und damit ein weiteres großes gesellschaftliches Zukunftsthema. Ein Beispiel dafür ist das Projekt „en/counter/points: (re)negotiating belonging through culture and contact in public space and place“, an dem unter anderem das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam arbeitet. Untersucht wird hier, wie städtische Architektur – in diesem Fall Bauten der ehemaligen DDR – zum Konfliktfeld widerstreitender Geschichtsdeutungen und Erinnerungstraditionen, und mithin zur materiellen Verdichtung politischer und kultureller Identitäten werden kann.