Gleichstellung und Vielfalt als Querschnittsaufgaben
Frau Nikoleyczik, welche Rolle hat der DLR Projektträger bei der Entwicklung und Umsetzung von gender- und diversitätsbezogenen Aktivitäten in Wissenschaft und Forschung?
Katrin Nikoleyczik: Wir sind der führende Projektträger in Genderthemen. Unsere interdisziplinären Sichtweisen auf dieses Querschnittsthema schaffen eine Grundlage für unsere Beratungs- und Unterstützungstätigkeit. Dank unserer fundierten Kenntnisse und langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Gleichstellung sowie von forschungspolitischen Maßnahmen zur Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit tragen wir dazu bei, dass strukturell wirksame Fördermaßnahmen und innovative und gesellschaftlich relevante Projekte umgesetzt werden.
Es geht vor allem darum, Parität auf allen Qualifikations- und Karrierestufen bis in die Spitzenpositionen in der Wissenschaft zu erreichen. Dies ist weiterhin erklärtes Ziel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), für das wir unter anderem das Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder managen.
Für uns ist es bei der Konzeption von Fördermaßnahmen wichtig, mitzudenken, wie auf struktureller Ebene angesetzt werden kann, um die Gleichstellung der Geschlechter weiter voranzubringen und wirksame Aktivitäten langfristig zu verankern. Dazu zählt auch, Geschlecht im Zusammenwirken mit weiteren Vielfaltsaspekten zu betrachten.
Gendersensible Forschungs- und Innovationskultur
Wie lässt sich eine gendersensible Forschungs- und Innovationskultur an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Praxis erreichen?
Nikoleyczik: Dafür ist der aktuelle Förderschwerpunkt Geschlechteraspekte im Blick des BMBF ein gutes Beispiel. Hierbei geht es darum, Geschlechteraspekte in allen Disziplinen und bei allen Forschungsthemen, wo dies von Relevanz ist, mit zu berücksichtigen. Dies betrifft den gesamten Forschungsprozess – von der Forschungsfrage über die methodische Herangehensweise und Datenanalyse bis hin zur Wissenschaftskommunikation und zum Transfer in die Wirtschaft. Zudem setzt die Förderung auf struktureller Ebene an, um wirksame Maßnahmen zu verstetigen und den Transfer über die geförderten Institutionen hinaus voranzubringen.
Diversität in der Wissenschaft
Spielt auch das Thema Vielfalt eine Rolle in der Innovationslandschaft?
Nikoleyczik: Ja, wir können feststellen, dass neben dem Thema Gleichstellung auch die Frage von Vielfalt in Wissenschaft und Forschung, in der Forschungs- und Bildungspolitik, aber auch in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt. Schon jetzt werden unterschiedliche Vielfaltsdimensionen wie etwa Behinderung oder Migrations- und Fluchterfahrungen in intersektionaler Perspektive berücksichtigt, also in ihrer Verschränkung miteinander. Einige Hochschulen gehen hier voran und verleihen dem Thema durch die Einrichtung von Diversitätsbeauftragten auch strukturell mehr Gewicht. Aktuell betreuen wir für das BMBF die Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ der Hochschulrektorenkonferenz, die Diversitätsstrategien an deutschen Hochschulen fördert und Vielfalt sichtbar macht.
Leider nimmt gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch in Wissenschaftsinstitutionen zu. Da ist es wichtiger denn je, dass sich alle am System beteiligten Personen solidarisch zeigen und die Wissenschaft ihre gesellschaftliche Vorbildfunktion aktiv wahrnimmt. Auf individueller Ebene muss die „Awareness“ für die Situation von Menschen zunehmen, die Diskriminierung alltäglich erfahren. Aber es ist auch wichtig, innerhalb der Institutionen strukturelle Maßnahmen zu ergreifen – für Vielfalt und gegen Diskriminierung. Um mehr Resilienz zu schaffen, brauchen wir einen Kulturwandel auch im Wissenschafts- und Innovationssystem.
Mit der interdisziplinären Expertise, die wir als DLR Projektträger mitbringen, wirken wir auf vielfältige Weise darauf hin. Die Konzeption und Realisierung von fachlichen Austauschformaten im Auftrag des BMBF ist ein Beispiel dafür.